Camerarius, Commentatio de versibus Solonis et aliorum, 1551

Aus Joachim Camerarius (1500-1574)
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Opus Camerarii
Werksigle OC 0536
Zitation Commentatio Ioachimi Camerarii (scil. de versibus Solonis et aliorum), bearbeitet von Marion Gindhart (04.02.2020), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OC_0536
Name Joachim Camerarius I.
Status Kommentator
Kommentierter Autor Solon; Mimnermos; Rhianos von Kreta
Sprache Latein
Werktitel Commentatio Ioachimi Camerarii (scil. de versibus Solonis et aliorum)
Kurzbeschreibung Ausgehend von seinen Übersetzungen drei antiker Dichtungen (von Solon, Mimnermos und Rhianos) reflektiert Camerarius in seinem Kommentar assoziativ über die condicio humana und ihre intellektuelle Bewältigung. Es geht unter anderem um Vorstellungen des Göttlichen und der Seele, um die Bildung als Schutz vor Depravation, um die Bedingtheit der Philosophie (mit einer Invektive gegen die Mischung von Theologie und Philosophie). Zur Erkenntnis des Göttlichen könne nur die göttliche Offenbarung führen und nur der christliche Glaube gewähre eine über das irdische Leben hinausreichende Glückseligkeit.
Erstnachweis 1551/10/01
Bemerkungen zum Erstnachweis Das TB des Druckes gibt: Anno Christi M.D.LI. Calend. Octob.
Datum unscharfer Erstnachweis (Beginn)
Datum unscharfer Erstnachweis (Ende)
Schlagworte / Register Kommentar; Übersetzung; Condicio humana; Ethik; Theodizee; Theologie; Seele; Platonismus; Aristotelismus; Divination und Prodigien; Bildungsdiskurs
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Überliefert in
Druck Camerarius, Expositio versuum Solonis, 1551; Camerarius, Praecepta morum ac vitae, 1565a; Camerarius, Praecepta morum ac vitae, 1571; Camerarius, Praecepta morum ac vitae, 1574
Erstdruck in Camerarius, Expositio versuum Solonis, 1551
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck Bl. A6r-C4r
Carmen
Gedicht? nein
Erwähnungen des Werkes und Einfluss von Fremdwerken
Wird erwähnt in
Folgende Handschriften und gedruckte Fremdwerke beeinflussten/bildeten die Grundlage für dieses Werk
Bearbeitungsstand
Überprüft am Original überprüft
Bearbeitungsstand korrigiert
Wiedervorlage ja
Bearbeiter Benutzer:MG
Gegengelesen von
Bearbeitungsdatum 4.02.2020
Opus Camerarii
Werksigle OC 0536
Zitation Commentatio Ioachimi Camerarii (scil. de versibus Solonis et aliorum), bearbeitet von Marion Gindhart (04.02.2020), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OC_0536
Name Joachim Camerarius I.


Kommentierter Autor Solon; Mimnermos; Rhianos von Kreta


Sprache Latein
Werktitel Commentatio Ioachimi Camerarii (scil. de versibus Solonis et aliorum)
Kurzbeschreibung Ausgehend von seinen Übersetzungen drei antiker Dichtungen (von Solon, Mimnermos und Rhianos) reflektiert Camerarius in seinem Kommentar assoziativ über die condicio humana und ihre intellektuelle Bewältigung. Es geht unter anderem um Vorstellungen des Göttlichen und der Seele, um die Bildung als Schutz vor Depravation, um die Bedingtheit der Philosophie (mit einer Invektive gegen die Mischung von Theologie und Philosophie). Zur Erkenntnis des Göttlichen könne nur die göttliche Offenbarung führen und nur der christliche Glaube gewähre eine über das irdische Leben hinausreichende Glückseligkeit.
Erstnachweis 1551/10/01
Bemerkungen zum Erstnachweis Das TB des Druckes gibt: Anno Christi M.D.LI. Calend. Octob.


Schlagworte / Register Kommentar; Übersetzung; Condicio humana; Ethik; Theodizee; Theologie; Seele; Platonismus; Aristotelismus; Divination und Prodigien; Bildungsdiskurs
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Paratext? nein
Überliefert in
Druck Camerarius, Expositio versuum Solonis, 1551; Camerarius, Praecepta morum ac vitae, 1565a; Camerarius, Praecepta morum ac vitae, 1571; Camerarius, Praecepta morum ac vitae, 1574
Carmen
Gedicht? nein
Bearbeitungsdatum 4.02.2020


Aufbau und Inhalt

Der Kommentar beginnt mit kurzen Erläuterungen zu Solon (u.a. auch zu seinem Stil und den Prämissen der Übersetzung), Mimnermos und Rhianos. Über die doctrina ihrer Dichtungen wird der Blick auf die condicio humana gelenkt, welche der menschliche Geist zu bewältigen versucht (A6v). Hierzu dienen, wie ein kritischer Abriss zeigt, diverse antike Vorstellungen Gottes / des Göttlichen (mit Invektive gegen Epikur und Kritik an sich widersprechenden Ansätzen des Aristoteles und den falsi cultus der Sokratiker) und der Relation des Göttlichen zum Menschen (mit Argumentation über den consensus omnium). Gott belohne die Guten und bestrafe die Bösen, wobei die Gründe für virtus und vitia in den Menschen lägen. Deswegen fänden sich auch überall Praktiken, mit denen Gott versöhnt und um Wohlergehen gebeten werde. Da man glaube, dass sich Menschen durch Lehren und Ermahnungen bessern, gäbe es Gesetze und Erziehung durch Eltern und Lehrer sowie einschlägige Werke.
Es folgen Reflexionen zur Definition von bona und mala (A8v). Das Beste sei jeweils das, was für eine bestimmte 'Natur' am passendsten sei, für die Menschen also der cultus virtutis (B1r). Dem Sittenverfall wirke nur eine cultura duplex entgegen (B1r/v: intellektuelles und pragmatisches Wissen, λόγος καὶ πεῖρα). Dies leisten die studia humanitatis (B1v). Mangelnde Bildung sei die Wurzel aller Depravation. Falsche iudicia, die auf nur vermeintlich Wahrem basieren, verstellen den Blick auf das Wahre; man disputiere, nicht um die Wahrheit zu finden, sondern um eine Prämisse als wahr zu erweisen (oratio vs. ratio, mit Invektive gegen sophistische Spielereien). Die Seele verderbe durch den Irrtum und lasse sich durch Affekte zum Schlechten verleiten. Dies könne durch die ratio und durch Gesetze aufgehalten werden. Wo Gesetze nicht ahnden, strafe das Gewissen. Oft folge auch späte Strafe. Es gebe unzählige Formen der Täuschung, welche die Menschen in Irrtümer stürzten. Oft bewirkten etwa beste Absichten das Gegenteil und würden daran bemessen oder man lasse sich von Affekten hinreißen. Ein Fehler sei es, Taten nur nach dem Endergebnis zu beurteilen. Manchmal geschehen Fehler auch aufgrund von Unwissenheit oder einer angeborenen natürlichen Veranlagung.
Der Sokratische Gott habe für sich allein das Höchste bewahrt, das sich der menschlichen Erkenntnisfähigkeit entzieht. Um ihre Erkenntnisgrenzen zu überschreiten, greifen die Menschen zu mantischen Verfahren (mit Kritik an paganer superstitio).
Es gebe viele Menschen, die unverschuldet in tiefes Unglück stürzten und einen schlimmen Tod erlitten, während es schlechten Menschen gut gehe. Dies habe der Kyniker Diogenes als Zeugnis gegen die Götter angeführt. Während einige es wagten, die Existenz des Göttlichen zu leugnen, beherrschte andere immenser Aberglaube (auch hier wieder kritischer Rekurs auf die Divination). In der Antike gebe es aber auch eine diskursive Dreiteilung der Theologie (die Theologia tripertita: θεοὶ μυθικοί, φυσικοί, πολιτικοί). Die menschliche Weisheit könne in Bezug auf Gott nur spekulieren wie Astrologen (!). Eine Erkenntnis des Göttlichen sei nur möglich qua göttlicher Offenbarung. Alle anderen Reflexionen seien Nahrung für den Intellekt. Aus der Geometrie komme alle Wahrheit menschlicher Erkenntnis (B7r). Mit Weisheit verschaffe man sich sichere Ruhe und Schutz gegen alle Angriffe, aber: Die Philosophie solle in prosperis vel leviter adversis casibus (ebd.) Führerin sein, im tiefsten Elend nütze sie nichts, auch wenn sie in allen Lebenslagen Hilfe verspreche. Ihr fehle die richtige Lehre der letzten Dinge (kritische Abhandlung der antiken Seelenlehren).
Das Beste also sei, was am besten zu jeder Natur passe, das Schlechteste, was ihr am meisten entgegenstehe. Zur Seele passe nun am besten eine gedoppelte consideratio veritatis, nämlich durch praktische prudentia und intellektuell-theoretische sapientia (B8r). Das Beste für den Menschen sei Vortrefflichkeit dessen, was ihn auszeichne: mens, consilium, ratio (B8v); ohne die eruditio doctrinae könne hier aber kein Fortschritt erzielt werden (ebd.) und der Mensch würde sich an die Tiere annähern. Das Beste für den Menschen sei nach Aristoteles ("Nikomachische Ethik") ein von der intelligentia geleitetes Leben. Dieser spreche auch von einer doppelten praestantia des Menschen und zwar von mens (ἀρετὴ διανοητική) und prudentia (ἀρετὴ πρακτική); ἀρετὴ sei hierbei das Beste in jeder Natur. Es folgen die aristotelischen Definitionen von ἐπιστήμη, τέχνη, φρόνησις, σοφία, νοῦς. Kurz: Die studia doctrinae seien mit Gewinn zu pflegen und an die Nachkommen weiterzugeben. Die Philosophie irre aber in ihrer Lehre von der excellentia hominis (C2r), da seine Natur fehlerhaft und unrein sei, und deswegen auch in ihrem Urteil über Güter und Nicht-Güter. Für ein glückliches Leben müsse ein anderer Weg gewählt werden, der in den Hafen ewiger Ruhe weise, und zwar der des christlichen Glaubens. Christus sei die Wahrheit und das Leben und hier liege die wahre prudentia und sapientia, die zu einem glücklichen Leben auch nach dem Tod führe. Es gebe durchaus durch bestimmte Tugenden ausgezeichnete Heiden, aber diese und andere stünden weit hinter den Tugenden des Heiligen Paulus zurück. Göttliche Wahrheit und die Errungenschaften des menschlichen Verstandes dürften nicht gemischt werden (Invektive gegen einen christlichen Platonismus und Aristotelismus). Letztere hätten stets der Behandlung und Erklärung der doctrina coelestis zu dienen und diese allein führe über den Lehrer Christus und die Schriften der Propheten und Apostel zur wahren irdischen und ewigen Glückseligkeit.

Anmerkungen

Der assoziativ-reihende Charakter der Ausführungen deckt sich gut mit Camerarius' Aussage zur Werkgenese: Im Widmungsbrief an Johann Albrecht I. von Mecklenburg vermerkt er, dass seine Kommentierung Gedanken enthalte, die er während des Übersetzens der Gedichte hatte.