Das Bindewort *1

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Buch Engel (1922): Gutes Deutsch. Ein Führer durch Falsch und Richtig.
Seitenzahlen 187 - 191
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Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

nicht und sein Gebrauch

Genannte Bezugsinstanzen:
Behandelter Zweifelfall:

Subjunktion: Auswahl

Genannte Bezugsinstanzen: Sprachverlauf, Schreiber guten Stils, Gegenwärtig, Neu, 18. Jahrhundert, Goethe - Johann Wolfgang, Schiller - Friedrich, Gesprochene Sprache
Behandelter Zweifelfall:

Subjunktion: Semantik

Genannte Bezugsinstanzen:
Behandelter Zweifelfall:

Wenn oder wann - denn oder dann

Genannte Bezugsinstanzen:
Behandelter Zweifelfall:

Konjunktiv I, Konjunktiv II oder würde-Form

Genannte Bezugsinstanzen:
Behandelter Zweifelfall:

Infinitivkonstruktionen mit und ohne (um) zu

Genannte Bezugsinstanzen:
Text

Zu dem sonst ganz unschuldigen Doch muß Einspruch erhoben werden gegen dessen Verbot bei einigen Sprachmeisterern in Sätzen wie: ,Sie waren heute nicht im Garten? — Doch!' Es ist gutes Deutsch.

Früher war man nachsichtiger als heute mit der Anwendung von indem in der Bedeutung weil, und es galt einst als nicht übles Deutsch: ,Ich konnte dich gestern nicht besuchen, indem ich krank war. — Er mußte Schulden machen, indem sein Gehalt nicht ausreichte. — Im Winter wird mit Verlust gearbeitet, indem nicht genug Bestellungen alsdann einlaufen' . So darf ein guter Schreiber heute nicht mehr $Seite 188$ sagen, denn (nicht: indem) indem hat heute fast nur noch die Bedeutung während im Sinne einer Gleichzeitigkeit.

Während bedeutet ursprünglich nur die Gleichzeitigkeit einer Handlung oder eines Zustandes. ,Während ich dies tue, tust du das. — Während ich arbeitete, fiel ein heftiger Regen.' Aus diesem Bindewort der Gleichzeitigkeit hat sich, in neuster Zeit immer zunehmend, eines der Gegensätzlichkeit entwickelt, so daß während heute fast öfter ,wogegen' als ,in derselben Zeit, wo' bedeutet. Da nun aber der wahre Sinn von während nicht erloschen ist, sondern beim geringsten Aufmerken auf den Ausdruck vorklingt, so ergeben sich aus der mißbräuchlich gegensätzlichen Anwendung unfreiwillige Sinnlosigkeiten, die aus gutem Deutsch verbannt bleiben müssen. ,Goethe wandte sich im Drama zuerst der vaterländischen Geschichte zu, während Schiller in seinen Räubern nahezu ungeschichtlich blieb.' Schiller war zur Zeit der Entstehung des Götz ein Knabe von 13 Jahren! ,Während der Reichskanzler alle Gründe der Regierung für die Bewilligung vortrug, machte der Abgeordnete R. geltend, daß . .' Doch nicht gleichzeitig!

Man sieht, daß berechtigte strenge Sprachregeln nichts mit äußerlicher Sprachmeisterei zu tun haben, sondern ebenso nützlich wie notwendig sind, nämlich da, wo sie die gute Sprache davor schützen, ein Werkzeug für Lächerlichkeiten zu werden.

Allein ist doppelsinnig, bedeutet sowohl einzig wie jedoch, — also Vorsicht!

Überall, wo wir die Möglichkeit haben, eine Fügung durch die volle Zeitwortform auszudrücken, da sollen wir uns keiner unnötigen Hilfen, also auch nicht der Hilfszeitwörter bedienen. Nach wenn, also in Bedingungsätzen, genügt die Unbestimmtheit der Erzählform nicht nur, sondern sie allein ist zulässig. Es heißt im guten Deutsch nicht: ,Wenn ich wissen würde' , sondern: ,Wenn ich wüßte' . Abweichungen von dieser klaren Regel kommen bei guten Schreibern äußerst selten vor, und ihr gelegentliches Vorkommen ist nicht maßgebend für den gewöhnlichen Schreiber. Die Regel gilt auch für die Frageform, worein sich ein Bedingungsatz oft kleidet. Es heißt im guten Deutsch nicht: ,Würde ich das getan haben, so würde ich verdienen . .' , sondern nur: ,Hätte ich das getan, so würde ich verdienen (oder: so verdiente ich)', und statt des falschen ,Würde ich das tun, so . .' muß es richtig $Seite 189$ heißen: ,Täte ich das, so ..' Natürlich darf es nur heißen: ,Er erklärte, er würde sich töten, wenn er gestraft würde' , denn dieses zweite würde ist Leideform.

Wenn und wann wurden im älteren Deutsch in allen Fällen klar unterschieden: wenn als bedingend, wann als Zeitbestimmung, und zwar nicht bloß in Fragesätzen. Heute unterscheidet man wohl noch: ,Ich werde kommen, wenn ich kann' und ,Ich werde kommen, wann ich kann' ; aber in Nebensätzen werden wenn und wann vielfach nicht mehr auseinander gehalten. Wann ist zugunsten des alleinherrschenden Wenn so weit zurückgedrängt, daß Sätze wie: ,Wann ich morgens in den Garten trete, sehe ich zuerst nach den Spargeln; So erwacht der Müller, wann die Mühle stillsteht' heute beinah unnatürlich klingen.

Um zu ist eine Bindewortfügung, die der gute Schreiber mit großer Vorsicht behandeln muß. Zwei falsche Anwendungen kommen zunehmend häufig vor, und das Gefühl für Falsch oder Richtig ist für beide Fälle so stumpf geworden, daß die Schärfung gar nicht leicht ist. Der erste Fehler besteht im Setzen von um zu, wo keine Absicht vorliegt, sondern eine nicht unmittelbar absichtsvolle Abhängigkeit des Zeitworts von einem vorangehenden Hauptwort, Beiwort oder Zeitwort. Es heißt richtig nur: ,Ich habe keine Zeit, müde zu sein' , denn hier handelt es sich nicht um Absicht und Zweck, vielmehr steht ,zu sein' in einem einfachen sprachlichen Abhängigkeitsverhältnis zu ,Zeit' , das dem eines Zweitfalles nahe oder gleich kommt. ,Ich habe keine Zeit, müde zu sein' ist so viel wie: ,Ich habe keine Zeit des Müdeseins, zum Müdesein' , aber nicht: ,um des Müdeseins willen' . Ähnlich bei Geld: ,Ich habe kein Geld, Verschwendung zu treiben' (kein Geld der [zur] Verschwendung). Beispiele ähnlicher Art lassen sich in Überfülle bilden: ,Er hat Lust, zu arbeiten. — ich habe den Mut, die Wahrheit zu sagen. — Du hast nicht die Reife, dies schon zu verstehen. — Die Sache ist geeignet, Aufsehen zu erregen.Das Werkzeug diente ihm dazu, sich eine kleine Maschine zu bauen' . In allen diesen Fällen darf nur einfaches zu stehen, nicht um zu. Der falsche Gebrauch von um zu hat in neuerer Zeit so um sich gegriffen, daß kaum noch auf eine völlige Umkehr zu hoffen ist. Jedenfalls sollte ein säuberlicher Satzbaumeister sich vor dieser Nachlässigkeit hüten.

$Seite 190$ Noch schlimmer steht es mit dem zweiten Fehler bei um zu: ,Schiller siedelte 1803 von Jena nach Weimar über, um hier bald zu sterben' . Das ist Schillern natürlich gar nicht eingefallen, sondern es ist nur die Unbedachtsamkeit des Schreibers, die solche lächerliche Irreführung hervorruft. — ,Von den epischen Werken Goethes wurden die bedeutendsten damals bloß angefangen, um unvollendet zu bleiben.' Dazu hatte Goethe sie gewiß niemals angefangen. — ,Byron reiste ab, 28 Jahre alt, um sein Vaterland nie wiederzusehen.' O nein, dies war sein Schicksal, nicht seine Absicht. — Aber diese Form ist doch so bequem; warum sie ganz verwerfen um einiger zufälliger Sätze willen, die lächerlich wirken können? Hier wie oft: einer Fußfalle, deren Gefahr man kennt, geht man besser in weitem Bogen aus dem Wege, als daß man sorglos gegen sie anstoße und von ihr gepackt werde. Das ältere Deutsch kennt diesen Gebrauch gar nicht, er kommt erst im 18. Jahrhundert auf, ist wahrscheinlich fremden Ursprungs, heute eine bedenkliche Gefahr für jeden nachlässigen Schreiber. Der Einwand, der denkende Leser werde auch in einem doppelsinnigen Falle schon das Richtige verstehen, schlägt nicht durch: der Leser wird zuerst falsch verstehen, denn die erste Denkwirkung von um zu ist die einer Absicht, eines Zweckes; dem Leser wird also zunächst ein Lächeln oder Lachen kommen, und erst beim nochmaligen Durchdenken wird er sagen: Ach, so war's gemeint. Wo der Leser solche Gedankengänge durchmachen muß, gibt er allemal dem Schreiber die Schuld, zumal der Leser, der sein Sprachgefühl an guten Sprachlehren und Büchern geschärft hat. Die Berufung auf vereinzelte Sätze bei Goethe oder Schiller beweist nichts für den durchschnittlichen Schreiber oder den Leser von heute.

Heftig getadelt wird der Gebrauch von zu in Sätzen wie: Ich habe einen Sack Äpfel zu liegen. Der Verstoß wird von manchen sehr guten Sprechern und Schreibern begangen und darf nicht als grober Fehler gelten. Die entschuldbare Versuchung dazu rührt her von richtigen Wendungen wie: ,Ich habe nichts zu essen, ich habe etwas zu erwarten, zu verkaufen' .

Bei den zeitlichen Bindewörtern bis, bevor, ehe, solange (wie) und ähnlichen ist zu wiederholen, was über die Verneinung bei Zeitwörtern des Zweifels, der Furcht usw. gesagt wurde (S. 168). Sie verbinden sich oft und bei den Besten mit einer Verneinung, die ihnen nach strenger Denkregel nicht $Seite 191$ zukäme: ,Ehe ich (nicht) weiß, daß du dich gebessert hast, kann ich dir den Wunsch nicht erfüllen.Ich gebe kein weiteres Darlehen, bis (nicht) sämtliche Schulden getilgt sind.' Die eingeklammerte bedingende Verneinung ist eigentlich überflüssig, aber der innere Sprachsinn verlangt nach ihr, und niemand darf sie einen Fehler schelten.


Zweifelsfall

Subjunktion: Auswahl

Beispiel
Bezugsinstanz Sprachverlauf, Schreiber guten Stils, Gegenwärtig, Neu, 18. Jahrhundert, Goethe - Johann Wolfgang, Schiller - Friedrich, Gesprochene Sprache
Bewertung

ganz unschuldig, gutes Deutsch, nicht übles Deutsch, unfreiwillige Sinnlosigkeiten, doppelsinnig, beinah unnatürlich, Nachlässigkeit, noch schlimmer, lächerliche Irreführung, eine bedenkliche Gefahr, heftig getadelt

Intertextueller Bezug


Zweifelsfall

Subjunktion: Semantik

Beispiel
Bezugsinstanz
Bewertung
Intertextueller Bezug


Zweifelsfall

Wenn oder wann - denn oder dann

Beispiel
Bezugsinstanz
Bewertung
Intertextueller Bezug


Zweifelsfall

Konjunktiv I, Konjunktiv II oder würde-Form

Beispiel
Bezugsinstanz
Bewertung
Intertextueller Bezug


Zweifelsfall

Infinitivkonstruktionen mit und ohne (um) zu

Beispiel
Bezugsinstanz
Bewertung
Intertextueller Bezug


Zweifelsfall

nicht und sein Gebrauch

Beispiel
Bezugsinstanz
Bewertung
Intertextueller Bezug