Das Zeitwort 1. Die Fügung
Buch | Engel (1922): Gutes Deutsch. Ein Führer durch Falsch und Richtig. |
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Seitenzahlen | 266 - 267 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Gebildete, Alt, Gehobene Sprache, Gegenwärtig |
Text |
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Das Zeitwort, besonders das zielende, übt auf die Form jedes mit ihm in unmittelbarer Beziehung stehenden Haupt-, Bei- und Fürwortes einen bestimmenden Einfluß. Regieren nennt man dies Verhältnis gewöhnlich; wir werden es mit guten echtdeutschen Wörtern benennen, obwohl Regieren als Lehnwort, ein wenig schönes, gelten kann, und werden auch in diesem Falle von der ganz deutschen Sprache nicht in Verlegenheit gelassen werden. Die gewöhnlichste Beziehung zwischen zielendem Zeitwort und abhängigem anderm Wort ist kurz bezeichnet die von mir und mich. Der gebildete, aber selbst der halbgebildete Sprachgebrauch ist in diesem Punkte sehr sicher; grobe Fehler kommen kaum noch vor, und es handelt sich im Leben, also auch in diesem Buche, nur um eine Reihe von Zeitwörtern mit schwankender, daher zweifelhafter Fallfügung. Wie überall so hier werden nicht eigenmächtig Gesetze gegeben, sondern es wird versucht festzustellen, wofür sich zurzeit der Sprachgebrauch der Gebildeten entschieden hat. Den 2. Fall fordern nur noch wenige Zeitwörter; in älterer Zeit war er viel häufiger, und sein Schwinden ist zu beklagen: unzweifelhaft wird diese Fügeform als edler und kraftvoller empfunden als die mit einem Vorwort oder dem 4. Fall. ,Ich erinnere mich seiner, Er vergißt meiner nicht' ist höherer Stil als ,Ich erinnere mich an ihn, Er vergißt mich nicht' . Die hier in Betracht kommenden Zeitwörter sind vornehmlich die des Genießens, Entbehrens, Gedenkens, Beraubens, Freuens, Grämens, Schämens, und es ist für sie alle der Rat zu geben, man möge in jedem Falle zuerst prüfen, ob die Farbe der Darstellung nicht den Zweitfall zulasse oder gar fordre. Freilich die Richtung des Alltagstils wendet sich vom Zweitfall ab: ,Ich kann dessen entbehren' klingt meist zu hoch; $Seite 267$ doch gesellt sich zu manchem andern Zeitwort noch heute ungezwungen der Zweitfall. ,Ich bedarf dessen nicht, Ich schäme mich seiner, Er zieh ihn der Feigheit, Ich kann mich der Vermutung nicht erwehren, Er hat sich dessen begeben (entledigt)' sind in diesen Fügungen nicht nur besser als in jeder andern, sondern dulden zum Teil nur diese. Die Entscheidung im Einzelfall ist nicht leicht; sie ist überwiegend eine Frage feinsten Stilgefühls, weil die Entwicklung vom 2. Falle weg zu andern Ausdrucksformen noch nicht abgeschlossen ist, also immer untersucht werden muß, ob zu dieser Stunde bei diesem Zeitwort der 2. Fall noch natürlich oder schon gesucht klingt. Bei ernstem Zweifel wird die Entscheidung leider gegen den Zweitfall lauten müssen, weil es ein geringerer Verstoß gegen den guten Stil ist, wie alle Welt alltäglich zu schreiben, als gesucht. |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | Gebildete, Alt, Gehobene Sprache, Gegenwärtig |
Bewertung |
gute echtdeutsche Wörter, wenig schönes, grobe Fehler, als edler und kraftvoller empfunden, meist zu hoch, ungezwungen |
Intertextueller Bezug |