Darin = in ihm, darauf = auf es u.ä.

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Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 79 - 80
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Unsicherheit
Text

Was über diese mit Absicht so peinlich verzeichneten Fälle hinausliegt, das ist vom Übel, und wenn es auch auf alter Grammatikervorschrift beruhte, wie auf der Adelungs, daß nach Verhältniswörtern statt es immer dasselbe eintreten müsse: in dasselbe, für dasselbe. Einmal kommt nämlich auch da es vor, und bei Scheffel oder Hansjakob könnte es wahrlich nicht gut anders heißen als so: Eines (der Murmeltiere) legt sich auf den Rücken und reckt die Füße von sich, die andern legen auf es alles, so sie zusammen geraspelt haben; und: Der Vogt rief das Maidle in die Stube, trat vor es hin und sprach. Schon Berthold v. Regensburg sagt: so einez an dem tode lit, so loufet alles für ez; J. Grimm (Meine Entlassung) mit Beziehung auf Deutschland: über es; und jüngstens G. Hauptmann (E. Quint): Er kannte das Mädchen von Jugend auf und hielt sein Auge auf es gerichtet. W. Raabe setzt gleichtonig neben einander: So leben wir miteinander, es (das Kind) und ich, wie sich, immer auf Hauptwörter bezogen, bei ihm auch gegen es, auf es, für es findet; und in seinem Satze: In dem kleinen Staate ist es (das Städtchen) immer ein Faktor, und die Regierung nimmt Rücksicht auf es, würde der Ersatz Rücksicht darauf sogar eine Unklarheit der Beziehung ergeben, immerhin mag man volleren Klanges halber eine andere Ausdrucksweise vorziehen. Nur darf diese nicht Präposition + derselbe sein, sondern ein entsprechendes demonstratives Adverb, wie sie in Beziehung auf Sachnamen überhaupt sehr gebräuchlich und auf die sächlichen Geschlechts die Regel sind: als er an den Bach trat, erblickte er darin (statt in ihm) seine Verunstaltung; der Reisende fand ein Bett in seinem Zimmer und legte sich darauf. Am Wege stand ein Haus, wir traten hinein u. ä. noch unzählige Male bei Goethe. Auch die andere Vorschrift//1 Berthold v. Regensburg, der mehr für das Ohr als für das Auge sorgte, hat sich nicht bedacht, dieselbe Form dreimal hintereinander zu setzen: die werdent danne viel zornlichen richten über die, die die Heiligen haben gerichtet uf ertriche, wahrlich wohlklingender als das vom Modernen fälschlich geforderte über diejenigen, welche die Heiligen.//, daß dieselbe erforderlich sei, wenn sonst sie sie, Sie sie zusammenträfen, beruht auf engherziger Regelung und bloßem Augenlesen, bei dem freilich die unterscheidende Kraft und Betonung des gesprochenen Wortes nicht zur Geltung kommt. „Wie sie sie (die Gedanken) verarbeiten" $Seite80$ darf man also ruhig E. Förster nachmachen, in deren schlichten Briefen wahrlich viel Musik ist.

Andere Fälle falscher Anwendung des Wortes derselbe können nicht einmal durch einen solchen Scheingrund gerechtfertigt werden. Da steht es, wo das einfache er, sie, es genügte: Eugen ist jetzt übervoll, da dasselbe (richtig: es) durch die Anwesenheit der Kaiserin besondere Anziehungskraft erhalten hat. Noch unschöner wirkt es, wenn es — so besonders auch bei Gelehrten — den durch langatmige Satzdehnung an die Spitze gebrachten Hauptbegriff des Satzes wieder aufnimmt: Den Sprachunterricht betreffend, so würden wir erraten, wie sich derselbe unserm Pädagogen gestalten muß. Ein anderes Mißbehagen erregt es, wenn gegen das einfache Stilgesetz, wonach innerhalb des nämlichen Satzgefüges das gleiche Verhältnis den gleichen Ausdruck erhalten soll, dasselbe Beziehungswort in einem Satze abwechselnd durch er und derselbe aufgenommen wird: Die eine Partei will den Entwurf pure (!) annehmen, die andre ihn radikal amendieren, die dritte denselben verwerfen. Zuletzt also, wo gar kein Fürwort nötig wäre, das längste und schwerfälligste! Auch das Gegenstück dazu fehlt nicht, daß dieser Liebling von heute in einem Satze die verschiedensten Beziehungen ausdrücken muß, als ob es gar kein anderes Mittel gäbe; bis auf drei bringt es z. B. ein Wiener Magistratsrat in folgender Leistung: Ich bin von den statistischen Bureaus der Städte Berlin und Dresden verständigt worden, daß dieselben (statt sie) alle Beziehungen zum Prager Bureau abgebrochen haben, weil dasselbe (statt es) seit April seine Mitteilungen in tschechischer Sprache veröffentlicht und denselben (statt ihnen) eine französische Übersetzung beilegt //* Vgl. unten § 286 einen Gebrauch des Wortes, der selbst darüber hinausgeht.// .

Alles, was von derselbe, gilt natürlich erst recht von der noch steiferen, altertümelnden Form derselbige, nicht minder aber auch von der kürzeren: selbiger und selbe, mit der man alle die gleichen schönen Kunststücke wie mit derselbe fertig bringt. Nur eins davon aus der Deutschen Zeitung: Das Urteil lautete auf Tod durch den Strang und ist selbes zu vollziehen (statt und ist zu vollziehen) den und den.


Zweifelsfall

Pronominaladverb oder Präpositionalphrase

Beispiel

dasselbe, Eines (der Murmeltiere) legt sich auf den Rücken und reckt die Füße von sich, die anderen legen auf den Rücken und reckt die Füße von sich, die andern legen auf es alles, so sie zusammen geraspelt haben, Der Vogt trat rief das Maidle in die Stube, trat vor es hin und sprach, ez, über es, auf, es, gegen es, es, für es, es, darin, ihm, darauf, hinein, sie, die werdent danne viel zornlichen richten über die, die die Heiligen haben gerichtet uf ertriche, diejenigen, es, derselbe, Die eine Partei will den Entwurf pure annehmen, die andre ihn radikal amendieren , die dritte denselben verwefen, dieselben, denselben, sie, es, ihnen, derselbige, selbiger, selbe, selbes den

Bezugsinstanz Förster - Emma, Goethe - Johann Wolfgang, Sprachgelehrsamkeit, Regensburg - Berthold von
Bewertung

fälschlich, langatmige Satzdehnung, längste und schwerfälligste, Liebling von heute, Missbehagen, noch unschöner, richtig, schlicht, schöne Kunststücke, so peinlich, steifere, Übel, Unklarheit, wahrlich wohlklingender

Intertextueller Bezug


Zweifelsfall

derselbe und konkurrierende Pronomina

Beispiel

dasselbe, Eines (der Murmeltiere) legt sich auf den Rücken und reckt die Füße von sich, die anderen legen auf den Rücken und reckt die Füße von sich, die andern legen auf es alles, so sie zusammen geraspelt haben, Der Vogt trat rief das Maidle in die Stube, trat vor es hin und sprach, ez, über es, auf, es, gegen es, es, für es, es, darin, ihm, darauf, hinein, sie, die werdent danne viel zornlichen richten über die, die die Heiligen haben gerichtet uf ertriche, diejenigen, es, derselbe, Die eine Partei will den Entwurf pure annehmen, die andre ihn radikal amendieren , die dritte denselben verwefen, dieselben, denselben, sie, es, ihnen, derselbige, selbiger, selbe, selbes den

Bezugsinstanz Adelung - Johann Christoph, alt, Zeitungssprache, Sprachgelehrsamkeit, Grimm - Jacob, Hansjakob - Heinrich, Hauptmann - Gerhart, Hauptmann - Gerhart, Behördensprache, neu, Raabe - Wilhelm, Regensburg - Berthold von, Scheffel - Joseph Victor von, Wien, Gelehrte, Gegenwärtig
Bewertung

altertümelnde, fälschlich, langatmige Satzdehnung, längste und schwerfälligste, Liebling von heute, Missbehagen, noch unschöner, richtig, schlicht, schöne Kunststücke, so peinlich, steifere, Übel, Unklarheit, wahrlich wohlklingender

Intertextueller Bezug