Gefolgt von, geschmeichelt, widersprochen sein, der Angefragte

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Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 216 - 218
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Unsicherheit
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Wie weit sind von Gesetz und Regel, wie sie eben festgestellt wurden, Ausnahmen gestattet? Für die rückbezüglichen Zeitwörter nach § 124 f. keine; auch was sich daraus für die aktivische oder passivische Bedeutung des zweiten Mittelwortes ergibt, ist ebendort erledigt. Wie steht es nun aber um die Passivformen von Verben mit einem Dativobjekt? Da verdient zuerst das häßliche//2 Auch Grimm, Wb. III, 1878 nennt es nur: „erträglicher", welcher Komparativ natürlich viel weniger besagt, als der Positiv besagen würde.// gefolgt von, das in einer wahren Sintflut durch die Zeitungen rauscht und in Rinnsalen schon auch in Schulaufsätze dringt, durchaus keine Duldung, zumal es alle nach Form wie Bedeutung richtigen und trefflichen Ausdrücke verdrängt, wie begleitet, umgeben, mit, hinterdrein u. a., auch Relativsätze, die gar nicht soviel länger sind. Ist die Fügung: Damit eilte sie hinaus, mühsam gefolgt von dem alten Pfarrer wirklich sachlich treffender als die: (so) daß der Pfarrer nur mühsam folgen konnte? oder die andere: Er schritt langsam hinaus, gefolgt von einem Piquet Reiter, bezeichnender als die: ... hinter sich ein Piquet Reiter? Den Vogel hat freilich Hackländer abgeschossen: Er sagte dies so heiter und gefolgt von einem herzlichen Lachen (statt einfacher: unter herzlichem Lachen). Die aus bloßer Bequemlichkeit dem Französischen und Englischen nachgeäffte Wendung ist nicht besser als folgende Mißfügungen aus Zeitungen und Büchern: Freundlich von den Umstehenden geholfen//3 Für diese Formen würde es nur eine künstliche Erklärung und Rettung be- $Fußnote auf nächster Seite fortgeführt$ deuten, wenn sie der Sprachforscher aus dem älteren transitiven Gebrauche von beneiden (Die zwei Schwestern beneideten ihm sein Glück in Grimms Märchen) und helfen (Was hülft sie ihr Wüten und Toben? bei Luther) herleiten wollte, da für das heutige Sprachbewußtsein bei diesem die Person durchaus im Dativ und bei jenem die Sache mit um oder wegen steht. Auch begegnen, das vor 100 Jahren, als die Gebildeten noch mehr französisch parlierend aufwuchsen, noch häufig transitiv war (ich begegnete dich, ich habe begegnet), ist heute fast noch nur bei Diplomaten und andern auf ähnliche Weise das Französische Handhabenden so zu finden (wie sehr oft z. B. bei Vitzthum v. E., London, Gastein und Sadowa: 12 Jahre, seit ich Sie nicht begegnet hatte).//suchten wir uns durchzuwinden. Darüber ward er von seinem bittersten Feinde begegnet//3 s.o.//. So würden Sie vielleicht verdienen, auf Ihr Wort geglaubt zu werden (statt daß man Ihnen glaubte). Ich habe das ihrer Mutter beneidet (v. Bonin), und: das wenig beneidete//3 s.o.// (statt beneidens- $Seite 217$ werte) Verdienst der Norddeutschen Allgemeinen. Ein vom Kaiser präsidierter Ministerrat (statt ein Ministerrat unter des Kaisers Vorsitz), dazu das rheinisch-westdeutsche: Wir werden beschert (statt uns wird beschert) und Sei herzlich dafür gedankt. Die letzte Wendung darf nicht etwa mit der anderen gerechtfertigt werden: Sei bedankt, seien Sie herzlich bedankt. Zwar genießt diese ihre jetzige Beliebtheit auch erst, seit man so unzählige Male Wagners „Nun sei bedankt, mein lieber Schwan“, gesungen hat. Aber Wagner hatte auch dazu dreifache Berechtigung. Schon früher heißt es z. B. bei Logau: Christi Opfertod wird schlecht von uns bedankt. Dazu kommt die bekannte Kraft der Vorsilbe be-, ein intransitives Verb transitiv zu machen (§ 34, 2). Endlich aber kommt der Wendung der schon oben § 124, 4 als so wichtig erkannte Übergang in die Bezeichnung des Zuständlichen zugute, der auch die Passivperfekte und passiven Mittelwörter widersprochen (sein), geschmeichelt (sein), der Gekündigte rechtfertigt: den tiefgeschmeichelten Beamten von Molos, das geschmeichelte Bild, sich geschmeichelt finden oder fühlen beanstandet denn auch niemand mehr. Besonders deutlich zeigt die Bildung unwidersprochen (bleiben) den Übergang in die Zustandsbezeichnung, und Fügungen wie die folgenden sind häufig: die ... bisher unwidersprochen gebliebene Mitteilung; eine Äußerung unwidersprochen lassen. Dagegen war es eine ungehörige Ausdehnung dieser Redeweise auf die ganze Leideform, wenn ein Großindustrieller berichtete: Er pries auch die Einrichtung mit dem Markenaufkleben sehr, aber das (statt: hierin) wurde ihm widersprochen//1 Auf keinem solchen Fehler beruhen die Ausdrücke: die befohlene Mannschaft, zur Vorstellung befohlen werden, zur Tafel befohlen sein, die gute Verdeutschung des französischen commander sind, aber in bestimmter Bedeutung.//; und noch sprachwidriger sagt Trentini: ein Baumstrunk, auf dem sich gestern ein verbotenes Paar geküßt hatte. Nur dann darf von solchen Verben mit einem Dativobjekt ausnahmsweise eine beliebige Form des persönlichen Passivums gebildet werden, wenn diese Verletzung der Regel durch die dadurch gewonnenen Vorteile mehr als ausgewogen wird; das können aber sein: größere Kürze, Ebenmaß, d. h. gleiche Fügung mit einem beigeordneten zielenden Zeitworte, und wirksamere Hervorhebung des Gegensatzes. So rechtfertigen sich die Sätze: Nicht die sind schuld, die schmeicheln, sondern die, die geschmeichelt sein wollen (v. Baudissin); wie Gott verehrt und gehorcht sein wolle (Kant) und: Da sitze ich nun mit meinem Kornvorrate, ohne von einem sterblichen Menschen beklagt oder geholfen zu werden (Möser).

Die präpositionale Angabe, selbst die präpostionale Ergänzung im engeren Sinne bei Verben kann neben deren Passivum nicht das Subjekt werden. Es gibt also keine falschere Form der Auskunft als die in „Über- $Seite 218$ Land und Meer": Die angefragten Pillen sind uns unbekannt. Auch etwas gewalttätig, aber doch eher hinzunehmen ist der Angefragte, wie man besonders seit der Einführung des Fernsprechers den Angerufenen bezeichnen hört; G. Keller sagt ja z. B. auch: Sie wußte, daß man dich nur anzufragen braucht, um gleich etwas Gescheites zu hören, und ebenso der andre große Schweizer, C. F. Meyer: Öffentlich und brieflich werde ich angefragt, warum ich das Gedicht „An die Tote“ ausgeschlossen hätte (an Rodenberg 5. 11. 95). Eine ähnliche Kühnheit hat der Rennplatz gezeitigt: Die Buchmacher hatten einen Bombenerfolg: Dieses (statt: auf d.) Pferd war gar nicht gewettet worden (DAZ. 28).


Zweifelsfall

Verb: Passivkonstruktionen

Beispiel
Bezugsinstanz Zeitungssprache, alt, Schriftsprache, Meyer - Conrad Ferdinand, Sprache der Politik, alt, Keller - Gottfried, Grimm - Jacob, Grimm - Wilhelm, Geschäftssprache, Hackländer - Friedrich Wilhelm, gegenwärtig, gegenwärtig, gegenwärtig, Kant - Immanuel, Logau - Friedrich von, Luther - Martin, Molo - Walter von, Möser - Justus, Sportsprache, westdeutsch, Rhein, Schulsprache, Schweiz, Trentini - Albert von, Baudissin - (?) von, Bonin - Anna von, 19. Jahrhundert, Wagner - Richard, Telekommunikation, Zeitungssprache, Vitzthum von Eckstädt - Karl Friedrich Graf
Bewertung

aus bloßer Bequemlichkeit nachgeäffte, beanstandet denn auch niemand mehr, bezeichnender, dadurch gewonnenen Vorteile, Den Vogel hat abgeschossen, Ebenmaß, einfacher, Es gibt also keine falschere Form, etwas gewalttätig, aber doch eher hinzunehmen, Fehler, Frequenz/Beliebtheit, Frequenz/häufig, Frequenz/sehr oft, Frequenz/wahren Sintflut, größere Kürze, gute Verdeutschung, häßliche, hatte dreifache Berechtigung, Mißfügungen, nicht besser, nicht gerechtfertigt, noch sprachwidriger, rechtfertigen sich, rechtfertigt, richtigen, sachlich treffender, trefflichen, verdient durchaus keine Duldung, Verletzung der Regel, wirksamere

Intertextueller Bezug Grimm: Wb. III, 1878