Größer als; weiß wie Schnee
Buch | Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs. |
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Seitenzahlen | 284 - 285 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | 20. Jahrhundert, Reventlow - Ernst Graf zu, Gundolf - Friedrich, Soergel - Albert, Alt, Zeitungssprache, Hauptmann - Gerhart, Gehobene Sprache, Schreiber guten Stils, Gegenwärtig, Luther - Martin, Mittelhochdeutsch, Neu, Norddeutsch, Prutz - Robert Eduard, Sprachverlauf, Walzel - Oskar, Wieland - Christoph Martin |
Text |
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Schlimmere Wirrsal als in allen andern Fällen trübt heute das Verhältnis der beiden vergleichenden Bindewörter als und wie: freilich wohl erklärlicher Weise, da die Sprachgeschichte für als eine vollständige Umkehr seiner Bedeutung nachweist. Mag die Entwicklung auch noch nicht völlig abgeschlossen sein, so muß sie doch kräftigst gefordert werden, da sie auf nichts Geringeres hinausläuft, als wieder, wie ehedem, verschiedene Ausdrucksmittel für die Verschiedenheit einer- und für die Gleichheit und Ähnlichkeit anderseits zu schaffen. Oder wäre das Deutsche nicht mehr fähig, einen solchen Unterschied zu wahren, wie er von einem feinen Stilgefühl gefordert und von den Franzosen zwischen comme und que, den Engländern zwischen as und than durchaus beachtet wird? Das Mittelhochdeutsche hatte ehedem gar drei vergleichende Bindewörter: denn nach Komparativen (werder, danne ich sî), als zu Vergleichen auf derselben Stufe, also nach Positiven (Sein Kleid war weiß als der Schnee noch Luther) und wan (auch danne) nach Verneinungen (niht wan ein geschrîe). Es schied damit so fein als streng die verschiedenen Vergleichsstufen; da trat gleich den fragenden Fürwörtern welcher und wer § 99 f. auch das fragende Umstandswort wie in die beziehende Bedeutung über und gab dadurch den Anstoß zu einer durchgehenden Verschiebung im Gebrauche der Vergleichspartikeln. Das neue wie trat an die Stelle von als nach Positiven und dieses//1 Seine Verwendung vor dem Aussageworte, in der seine Bedeutung bis zur vollständig gleichsetzenden Kraft gesteigert ist, kommt hier nicht in Betracht: Er erwies sich als zuverlässig; Als Mensch mild, konnte er als Feldherr sehr streng sein.// dafür an die Stelle von danne nach Komparativen und von wan oder danne nach Verneinungen und andern Ausdrücken der Verschiedenheit, hinter denen das alte denn nur noch erhalten geblieben ist, wenn sonst zwei als zusammentreffen würden. Wenn sonach die Sprache aus einer unorganischen Störung neue Mittel zur Unterscheidung zu schaffen vermocht hat, gilt es, deren Wirkung nicht wieder abzuschwächen. Vor allem muß diesmal der Norden Deutschlands seine größere Vorliebe für wie und auch denn bekämpfen. Letzteres darf also nach Komparativen nicht mehr anstatt als gesetzt werden, außer im gehobenen Stile und im Dienste der stilistischen Schönheit. Wenigstens geziert klingt also: Karl ist älter denn (statt als) Emil; feierlich gemeint ist in G. Hauptmanns Em. Quint: einen Menschen, der mehr ist denn ihr, aber bedenklich sein: Ich bin so (!) schlecht gekleidet denn ihr. Dagegen mustergültig für jede Stilgattung wechselt der nämliche: Deshalb wollte er nicht als ein besonders ausgezeichneter Lehrer zu den Menschen herniederkommen, sondern äußerlich mehr wie (d. i. gleich) jedermann, weniger öffentlich als im Verborgenen Gutes tun; ebenso schon Wieland: Kerim war offenbar ein besserer Ratgeber, wie ein Sultan sie nötig hat, als der unpolitische Danischmend, und jetzt Walzel: Recht hat, wer die $Seite 285$ Dichter unserer Tage minder wie ausgeprägte Persönlichkeiten von starkem Eigenwillen als vielmehr wie einen Chorus faßt, und die DAZ. 26: In der Aufstellung dieser Probleme ist der Roman wertvoller denn als Gestaltung. Ebenso ist allein richtig wegen des Vorhandenseins eines andern, prädikativen als der Satz bei R. E. Prutz; Lieber betteln, denn als Gaukler sein Brot verdienen; 1913 Graf v. Reventlow: Der Monarch betrachte sich als ein höher geartetes Wesen denn andere Menschen; 1916 Fr. Gundolf: Die Liebe, von der Goethe Kunde gibt, tritt weniger als Leidenschaft denn als Galanterie auf. Dieses denn ist in solchem Falle die einzige Aushilfe, und nimmermehr darf das Zusammentreffen zweier als dadurch vermieden werden, daß eins unterschlagen wird wie bei A. Soergel: Nietzsches Basler Jahre sind nicht besser zu bezeichnen als (statt denn als) die Zeit der Freundschaft mit Wagner. Ebensowenig darf statt des nach Komparativen und Negationen sonst allein zu gebrauchenden als ein wie eingeschmuggelt werden, wie in der National-Ztg.: Fürst Bismarck wäre als Volksvertreter noch tödlicher wie (statt: denn) als Minister. Diese brachte freilich auch fertig: daß er sie wohl weniger als Stammgenossen als als Freunde des Herzogs Friedrich geschätzt haben wird. Wenn man dagegen außer denn noch gelegentlich die Verhältniswörter über und vor hinzuzieht und gegen mehrere in verschiedener Bedeutung verwendete als nicht zu empfindlich ist, sobald sie nur durch einige Wörter getrennt sind, so wird man nie genötigt sein, wie fälschlich auch nach Komparativen zu setzen. Wieland konnte Eintönigkeit und Unklarheit zugleich vermeiden, wenn er nicht schrieb: Ich will keinen Augenblick länger mehr wie alle andern von dir geliebt sein als solange ich dir liebenswürdiger scheine wie die andern, sondern: Vor allen andern (oder über alle andern) von dir geliebt will ich nur solange sein, wie ich dir liebenswürdiger scheine als alle andern. |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | 20. Jahrhundert, Reventlow - Ernst Graf zu, Gundolf - Friedrich, Soergel - Albert, alt, Zeitungssprache, Hauptmann - Gerhart, gehobene Sprache, Schreiber guten Stils, gegenwärtig, Luther - Martin, mittelhochdeutsch, neu, norddeutsch, Prutz - Robert Eduard, Sprachverlauf, Walzel - Oskar, Wieland - Christoph Martin |
Bewertung |
allein richtig, bedenklich, darf nicht mehr gesetzt werden, ebensowenig darf eingeschmuggelt werden, fälschlich, feierlich, Frequenz/größere Vorliebe, gilt es, deren Wirkung nicht wieder abzuschwächen, im Dienste der stilistischen Schönheit, konnte Eintönigkeit und Unklarheit zugleich vermeiden, wenn er nicht schrieb, muß bekämpfen, muß kräftigst befördert werden, mustergültig für jede Stilgattung, nimmermehr darf, unorganischen Störung, von einem feinen Stilefhül gefordert, Wenigstens geziert klingt |
Intertextueller Bezug |