In hohem Alter, aber im (in dem) hohen Alter von 78 Jahren

Aus Zweidat
Wechseln zu: Navigation, Suche
Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 131 - 131
Externer Link zum Kapiteltext

Nur für eingeloggte User:

Unsicherheit
Text

Namentlich für eine leise poetische Färbung der Sprache ist es wertvoll, daß wir selbst mit Beifügungen versehne Sachnamen in der Einzahl ohne Geschlechtswort gebrauchen können, wenn so mit einer Art Synekdoche die nicht festumgrenzte Einheit als Bezeichnung regelmäßiger Wiederkehr, regelmäßig vereinter Zwei-, Drei- und Vielheit oder nicht festbegrenzter längerer Ausdehnung erscheint. So meint es Goethe in seinem Verse: In tiefem Tal, auf schneebedeckten Höhen war stets dein Bild mir nah; so Jensen: Die Konskription war in unnachsichtig energischste Hand gelegt; und wieder auch Scheffel: mit starkem Fuß, in gutem Trab, in dumpfem Takt, mit scharfem Schritt, leisen Schrittes; er trug sie mit starkem Arm.

Ein weiterer Vorzug, den unsere Sprache vor anderen den Artikel besitzenden Sprachen voraus hat, ist die Möglichkeit, vor Sachnamen ganz auf den Artikel zu verzichten, wenn die Andeutung der Einheit als Selbstverständlich überflüssig ist, der bestimmte Artikel aber vollends dem Sinne nicht entsprechen würde. Dort steht auch noch ein Haus mit der Straße zugekehrtem Giebel als Erinnerung an die einst allgemeine Bauart, klingt gefälliger als ein Haus mit einem ....; ebenso: Ein Gebäude mit flachem Dache, eine Kirche mit abseits stehendem Glockenturme. In der Verkehrssprache heißt es so wohlklingend als ausreichend: In Postpaket schicken wir: und: Die Absetzung des Stückes vom Spielplan erfolgte in amtlichem Auftrage. Die Schriftsteller geben also dem Leser in der Schilderung lediglich ihrer Einbildungskraft verdankter oder doch dem Leser unbekannter Bilder und Dinge eine Anregung, sich das ohne feste Begrenzung Gebotene selbst zu gestalten. So häufig Scheffel, bei dem wir z. B. Ekkehard mit Hadwig zusammen auf steinerner Bank sitzen sehen; oder Circe wird uns vor Augen gerückt mit fleißigem Weberschiff viel zartes Gezeug webend, und die Klausnerin also geschildert: Auf hagerem Halse hob sich ein blasses vergilbtes Frauenantlitz. Als diesem Zwecke dienlich verwenden das Mittel auch Reisende sehr gern, die dann wohl ein auf bewaldetem Berge liegendes Schloß, ein zwischen tiefen Ufern über felsiges Bett dahinströmendes Flüßchen schildern; und noch viel öfter Kritiker: Die Gestalt links ist ein Weib mit erhobenem Kopf. Wie lächerlich würde da z. B. mit einem erhobenen Kopf klingen. Man würde ähnlich Spötteln, wie man es bei dem Satze Bornhaks zu tun geneigt ist: Die Prinzessin Amalie v. E. starb im hohen Alter; da er keine den Artikel rechtfertigende Bestimmung „von so und so vielen Jahren“ hinzufügt, mußte er, das Alter unbestimmt lassend, schreiben: in hohem Alter, oder uns spotten lassen: Natürlich, wie alle Menschen dann sterben. Ebenso erweckt der Satz: Die Schrift ist mit hohem Fleiße und voller Sachkenntnis angefertigt und im ansprechenden einfachen Stils gehalten, den Anschein, als ob es nur einen bestimmten, den ansprechenden einfachen Stil gäbe; es mußte gesagt werden: in ansprechendem einfachem Stile.


Zweifelsfall

Gebrauch des Artikels

Beispiel
Bezugsinstanz Bornhak - Friederike, Goethe - Johann Wolfgang, Jensen - Wilhelm, Zeitungssprache, Geschäftssprache, Scheffel - Joseph Victor von, Literatursprache, Behördensprache, Fachsprache (Verkehr)
Bewertung

ausreichend, dienlich, es mußte gesagt werden, für eine leise poetische Färbung der Sprache wertvoll, klingt gefälliger, lächerlich, Man würde ähnlich spotten, mußte er schreiben, wohlklingend

Intertextueller Bezug