Jüngere Verhältnisobjekte
Buch | Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs. |
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Seitenzahlen | 193 - 194 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Alt, Böhmen, Zeitungssprache, Umgangssprache, Goethe - Johann Wolfgang, Gundolf - Friedrich, Leip - Hans, Gegenwärtig, Gehobene Sprache, Neu, Merck - Johann Heinrich, Mundart, Frankfurt, Schubin - Ossip, Österreich, Ellinger-Reichmann - R. (?), Schäffle - Albert, Schiller - Friedrich, Schriftsprache, Süddeutsch, Sachsen, Wien |
Text |
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Es kann keinem Vernünftigen einfallen, sich dem in § 210 verfolgten Zuge entgegenzustellen, der auch nur eine Seite in der allgemeinen Entwicklung darstellt, diesmal weniger vom Sinnlichen zum Abgezogenen als vom Sinnigen und Innerlichen zum Äußerlichen und Gröberen. Wer aber den Unterschied noch fühlt, z. B. zwischen: Ich vergesse dich nicht und Vergiß mein nicht, ich denke an dich und (ge)denke dein, wird auch zwischen der älteren und jüngeren, innerlichen und äußerlichen Weise zu wählen wissen, je nachdem er höher und gewählter oder gewöhnlicher und alltäglicher reden will. Nicht tadelns-, sondern lobenswert ist es also z. B., wenn zur Bezeichnung innerlicher Teilnahme geschrieben wird: Mir hat seine Darlegung den Eindruck gemacht, was durchaus kein Gallizismus ist statt des freilich auch möglichen: Auf mich hat usw. Noch eigenartiger klingt: unerreichbar jeder Rechenschaft. Ein Fehler wird die Vertauschung des Kasus- und des präpositionalen Objektes erst dann, wenn sich für beide eine verschiedene Bedeutung festgesetzt hat. So verbinden wir geben mit: an jemand, wenn es sich um ein bloßes, uns kalt lassendes Befördern handelt: ich habe das Buch an ihn (weiter) gegeben; aber wenn wir Rat erteilen, wobei wir innerlich beteiligt sind, ist dieses äußerliche an falsch, und die N. Fr. Pr. mußte schreiben: Wir geben Österreich keine Ratschläge, statt: Wir geben an Österreich keine Ratschläge. Mundartlich wird das Verhältniswort in Böhmen, Österreich und ganz Süddeutschland bei vergessen gebraucht; doch kann dadurch der Akkusativ der Schriftsprache nicht erschüttert werden, wenn auch Merck schon schreibt: auf etwas vergessen, oder O. Schubin, wie die Süddeutschen meist: du hast an den Hochzeitstag vergessen, ich hatte daran vergessen wie an den Tod, und die Wiener Zeitung gar auch: ich vergaß von jedem Gruß. Bei dem Gegenteil erinnern ist dagegen nur an schriftgemäß, und nicht das süddeutsch-sächsische: sich auf etwas erinnern. Die transitivische Fügungsweise Goethes: Ich erinnere mich keinen (statt keines), der Nein gesagt hätte, findet noch heut gern Nachfolge: Ich war daran, es Godeke erinnern zu helfen (H. Leip) und: Ich erinnere gern die gemeinsame Kna- $Seite 194$ benzeit (DAZ. 27); ermöglicht sie doch die bequeme Bildung eines Mittelwortes der Vergangenheit: in einem völlig erinnerten patriotisch-ästhetischen Interesse (Gundolf); die Anerkennung der erinnerten vergangnen Bewußtseinsinhalte (R. Ellinger-Reichmann). Anders steht es bei denken. Wenn einer sagt: ich habe gar nicht mehr auf die alte Sache gedacht und meint: ich habe sie so gut als vergessen, so ist das allerdings mundartlich, da in der Bedeutung: berücksichtigen, sich erinnern üblich ist denken an etwas. In der Schriftsprache bedeutet denken auf etwas so viel als bedacht sein, sich um die Erreichung eines Zieles sorgen, das wie in perspektivischer Zeichnung noch hoch oben steht; Denk auf deine Rettung (Schiller). Der umgekehrte Fall, die Verwandlung eines ziellosen in ein zielendes Zeitwort, liegt in der Wendung Schäffles vor: kein Freund seiner den Reichsrat streikenden Landsleute. |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | alt, Böhmen, Zeitungssprache, Umgangssprache, Goethe - Johann Wolfgang, Gundolf - Friedrich, Leip - Hans, gegenwärtig, gehobene Sprache, neu, Merck - Johann Heinrich, Mundart, Mundart, Frankfurt, Zeitungssprache, Schubin - Ossip, Österreich, Ellinger-Reichmann - R. (?), Schäffle - Albert, Schiller - Friedrich, Schriftsprache, Schriftsprache, süddeutsch, süddeutsch, süddeutsch, Sachsen, Wien, Zeitungssprache |
Bewertung |
auch möglichen, Äußerlichen, äußerlichen, bequeme, falsch, Fehler, Frequenz/findet gern Nachfolge, Frequenz/meist, Frequenz/üblich, Gröberen, innerlich, Innerlichen, lobenswert, mußte schreiben, Nicht tadelnswert, Noch eigenartiger klingt, nur schriftgemäß, Sinnigen |
Intertextueller Bezug |