Möglichkeit und Grenzen passivischer Fügungen

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Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 215 - 216
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Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

Verb: Passivkonstruktionen

Genannte Bezugsinstanzen: Familie, Gesprochene Sprache
Text

Die Umwandlung ist denn ganz unmöglich bei einem Satze wie oben dem 3., dessen gebühren schon in der aktivischen Form einen vom eigentlichen Passivum wie Aktivum gleichweit entfernten Begriff enthält oder, wie man sagt, ein neutrales Verbum ist. — Ebenso unmöglich ist die Umwandlung für den 1. Satz wegen des rückbezüglichen Verbums (reflexivum) sich getrösten; denn das Wesen der schon oben § 124 f. berührten rückbezüglichen Zeitwörter, eigentlicher wie uneigentlicher//1 Eigentliche sind solche, welche in der betreffenden Bedeutung überhaupt nur rückbezüglich verkommen, z. B. sich schämen, sich verhalten; uneigentliche solche, deren Subjekt nur gelegentlich als auf sich selbst zurückwirkend dargestellt wird: damit schädigt (schadet) er sich selbst.//, liegt darin, daß ihr Dativ- wie Akkusativobjekt nur eine Wiedersetzung, eine Rückstrahlung des Subjektes ist; und die ist beim Passiv, bei dem das alte Subjekt, also das Ausstrahlende, verschwindet, so unmöglich wie ein Brennpunkt in der Glaslinse, sobald die Licht- und Wärmequelle fehlt. Die Umwandlung ist weiter nur teilweise möglich, aber auch nicht gut für einen Satz wie der 2.: Von den Juden wird noch immer auf den Messias geharrt. Möglich ist sie, weil harren den Begriff einer Tätigkeit enthält, der in sein Gegenteil umschlagen kann, aber doch unschön, weil die unpersönliche Ausdrucksweise (es wird geharrt) mit dem persönlichen Gedankensubjekte (Juden) in Wider- $Seite 216$ streit gerät//1 Ein ähnlicher Widerstreit muß auch bei den unpersönlichen Verben mit logischem Subjekte im vierten, auch dritten Falle (mich friert, - hungert, - dauert: mir träumt) vermieden werden, indem diese unpersönliche Fügung nur für den zufälligen, auf äußeren Umständen beruhenden Zustand verwendet wird, während einer beabsichtigten, gewollten und bewußten Übernahme und Ertragung desselben allein die persönliche Fügung entspricht. Deshalb sagt man, um einem sein Bedauern auszudrücken, höflicherweise: Ich bedaure, nicht mich dauert, daß Sie mich verfehlt haben. Die Mutter kann nicht befehlen, daß die Kinder nicht friert: aber sie kann ihnen wohl befehlen, daß sie nicht frieren sollen, d. h. trotz des Gefühls der Kälte doch noch es absichtlich aushalten, länger zu frieren. Nach einem langen Marsche hungert einen, aber die entlarvten geschäftsmäßigen Hungerleider hungerten so und so viele Tage. Im Schlafe träumt einem (doch auch träumt man) von dem und dem: aber in übertragener Bedeutung heißt es nur: Er träumt von leichtem Siege.//; endlich nur teilweise kann sie durchgeführt werden, weil ein Objekt im vierten Fall fehlt, dessen Widerspiel in passiver Fügung gleich gut in der ersten, zweiten und dritten Person erscheinen könnte, weil somit nur eine dritte Person mit dem unpersönlichen Subjekte es möglich ist. Die volle Wechselwirkung können Subjekt, Prädikat und Objekt nur bei den Verben aufeinander ausüben, bei denen das letzte im vierten Fall steht und den Gegenstand bezeichnet, auf den die Tätigkeit des Subjektes unmittelbar als auf ihr Ziel übergeht; man hat sie deshalb auch zielende oder transitive Verben genannt und sie damit zugleich den als ziellose oder intransitive bezeichneten Verben mit genetivischem, dativischem oder präpositionalem Objekt und den reflexiven und neutralen entgegengestellt.


Zweifelsfall

Verb: Passivkonstruktionen

Beispiel
Bezugsinstanz Familie, gesprochene Sprache
Bewertung

heißt es nur, höflicherweise, Möglich, nicht, nicht gut, nur teilweise kann sie durchgeführt werden, nur teilweise möglich, unmöglich, unschön

Intertextueller Bezug