Nach verschiedenen Meldungen oder: wie verschiedene Blätter melden, wäre der Papst bedenklich erkrankt

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Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 383 - 384
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Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

Konjunktiv oder Indikativ

Genannte Bezugsinstanzen: Gegenwärtig, Alt, Sprachgelehrsamkeit, Junker - Wilhelm, Zeitungssprache, Hauptmann - Gerhart
Behandelter Zweifelfall:

Konjunktiv I, Konjunktiv II oder würde-Form

Genannte Bezugsinstanzen: Jensen - Wilhelm, Schriftsprache
Text

Da läßt sich wahrlich eine andere Verwendung, die die richtige Form der abhängigen Rede jetzt öfter findet, eher hören, wenn schon sie noch von den meisten Sprachmeistern verurteilt wird. Es ist das die täglich in den Zeitungen anzutreffende Art, Nachrichten, die sie nicht als von ihnen selbst ermittelt oder gemeidet oder als von ihnen gar verbürgt verbreiten wollen, in abhängiger Rede anzuführen, deren regierendes Zeitwort in einem Zwischensatze oder gar einem vorausgeschickten Satze mit wie steht oder durch eine substantivische Fügung mit gemäß, nach oder dem freilich falschen zufolge (§ 156, 4) vertreten wird: Einer Petersburger Mitteilung zufolge (!) wäre es richtig, daß der russische Finanzminister seine Entlassung beim Zaren eingereicht habe; dieselbe sei aber von diesem, der auf die Mitwirkumg W.'s bei der Ausarbeitung eines neuen Zolltarifs nicht verzichen wolle, nicht genehmigt worden (Nat.-Z.). — Ein Anhänger Parnells griff den Deputierten T. Healy tätlich an und zertrümmerte das von Healy getragene Augenglas. Wie es heißt, wären die Augen verletzt und die Sehkraft gefährdet.

Früher war die Fügung mit dem Indikativ üblicher, und diese entspricht zugleich der Forderung der Grammatiker: Nach einer Mitteilung des Rappel (wie der Rappel mitteilt), beabsichtigen die absoluten Schutzzöllner. Man sollte sich auch heute unbedingt mit der älteren Form begnügen, wenn es nur gilt, eine kurze Meldung unter Angabe der fremden Urheberschaft zu bringen, ohne daß man ihre Richtigkeit beurteilt. Schwerer ist schon damit auszukommen, wenn die Meldung länger ist, weil da die späteren Sätze durch nichts mehr als nur aus dem Sinne des bloß beim ersten Satz angeführten Gewährsmannes kommend bezeichnet wären; andrerseits aber erst im zweiten Satze dann plötzlich den Konjunktiv anzuwenden, wirkt unvermittelt und uneben; man höre nur den Zeitungssatz: Wie Pariser Blätter mitteilen, hielt sich der Prinz v. Orleans mehrere Tage in Paris auf; die Regierung, welche davon unterrichtet war, hätte sich mit der bloßen Überwachung des Prinzen begnügt, sowie den G. Hauptmanns: Nach seiner Behauptung hatte Schubert zunächst kein Glied zu rühren vermocht und sei geraume Zeitweile wie festgewurzelt stillgestanden.

$Seite 384$ Gewöhnlich ist es so, daß an der Spitze der Konjunktiv des Imperfekts steht, dann aber die indirekte Rede ganz in der § 363 f. dargelegten Form weiter geführt wird; und warum soll das ein so verwerfliches Mittel sein, von vornherein deutlichst jede Gewähr für die Richtigkeit der Meldung abzulehnen? Jedenfalls läßt sich nichts gegen diesen Konjunktiv sagen, wenn ein richtiger Zwischensatz (ohne wie !) vorhanden ist: Der neue König, hieß es, würde abwarten, würde die alten Minister entlassen. Ebenso gerechtfertigt scheint es, wenn eine präpositionale Fügung mit nach oder gemäß, wodurch das immer fehlerhafte zufolge stets zu ersetzen ist, vorangeht; denn diese kann ganz wohl als Ersatz für einen Bedingungsvordersatz gelten, zu dem die erste konjunktivische Aussage den Nachsatz bildet. So hat offenbar auch Jensen empfunden, wenn er schrieb: Genannt wird der Kandel zuerst im 12. Jahrhundert bei Anlaß einer Grenzbeschreibung a platano in monte Kanden. Danach (= wenn das richtig wäre) hätte damals auf ihm eine Platane gestanden.

Immerhin ist es in andern Fällen möglich, auch ohne diese „Neuheit" auszukommen, wenn der Zweifel an der Richtigkeit der Meldung statt in den Modus selbst in das modale Hilfszeitwort sollen gelegt wird, in der Art Junkers: Ich erfuhr, daß heute Nachricht aus Dâr-Fôr gekommen war. Danach soll es Gordon Pascha gelungen sein, die aufständischen Stämme zur friedlichen Unterwerfung zu bewegen; dagegen aber (!) wolle sich der Sohn Zibers noch immer nicht fügen. In dieser Art würde es z. B. oben in dem einen Beispiele heißen: Wie es heißt oder nach weiteren Berichten sollen die Augen verletzt sein. Am wenigsten verdient der Konjunktiv nach den sowieso unschönen Sätzen mit wie eine glimpfliche Ausnahme; und vor allem möchte diese doppelte Ablehnung der Gewährschaft, sowohl durch Nennung der Quelle als auch durch den Konjunktiv oder sollen, für solche Fälle aufgespart werden, wo die Meldung als bedenklich zu kennzeichnen wirklich und besonders am Platze ist oder eine längere Ausführung in abhängiger Rede folgt. Innerhalb solcher Grenzen dagegen kann die Fügung als eine gesunde Weiterentwicklung in der Anwendung des Konjunktivs des Imperfekts//1 Schlechthin falsch ist der — auch nur seltner begegnende — Konjunktiv der Gegenwart (dem Globe zufolge (!) habe die Regierung Genugtuung gefordert); denn als Zeichen einfach der abhängigen Rede reicht er nicht hin, Zweifel an der Wahrheit und Wirklichkeit des Behaupteten auszudrücken. Ebenso ist jeder Konjunktiv natürlich dann falsch, wenn der Satz mit wie oder ein anderer Zwischensatz einen Begriff der Gewißheit enthält: Wie später sich herausstellte, hätten (muß heißen hatten) die Veranstalter des Staatsstreiches damals keine Auskunft darüber geben können.// gelten.


Zweifelsfall

Konjunktiv oder Indikativ

Beispiel
Bezugsinstanz gegenwärtig, alt, Sprachgelehrsamkeit, Junker - Wilhelm, Zeitungssprache, Hauptmann - Gerhart, alt
Bewertung

Frequenz/öfter, uneben, unvermittelt, unschön, glimpfliche Ausnahme, gesunde Weiterentwicklung

Intertextueller Bezug


Zweifelsfall

Konjunktiv I, Konjunktiv II oder würde-Form

Beispiel
Bezugsinstanz Jensen - Wilhelm, Schriftsprache
Bewertung

gesunde Weiterentwicklung, falsch, Frequenz/seltner

Intertextueller Bezug