Sich erweisen, bewähren als wahren oder wahrer Freund?

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Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 223 - 224
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Unsicherheit
Text

Sowohl der erste als auch der vierte Fall ist bei den rückbezüglichen Zeitwörtern möglich, die in wesentlich gleicher Bedeutung auch transitiv gebraucht werden können, wie sich erweisen, - zeigen, - bewähren, - darstellen u.v.a. Der Grund freilich für die Wahl des einen oder anderen Falles wird meist mißkannt, vor allem von den vielen Grammatikern, die auch diese Verba ausnahmslos in den steifen lateinischen Stiefel mit doppeltem Akkusativ spannen möchten. Sie verzichten damit auf ein feines Mittel der Unterscheidung, das die Sprache auf ihrem heutigen Standpunkte besitzt: Wenn nämlich die ausgesagten Zustände, Eigenschaften, Stellungen usw. als solche bezeichnet werden sollen, die schon tatsächlich oder anerkanntermaßen vorhanden sind, die nicht bezweckt werden, sondern sich von selbst ergeben, so steht der erste Fall; wenn es sich aber um die Darstellung, vor allem um die beabsichtigte Darstellung von etwas noch Unbekanntem oder noch nicht Anerkanntem handelt oder wenn man ein Verhältnis bezeichnen will, das man durch die Ausführung der im Verb ausgesagten Tätigkeit erst herstellt, so ist der vierte Fall zu wählen und jedenfalls bezeichnender. So sagt Lessing, eine ihm fälschlich zugesprochene Stellung dadurch abweisend und eine nicht anerkannte erst beanspruchend: Ich erzeige mich dadurch so wenig als den Advokaten des Unbekannten, daß ich mich vielmehr als den Advokaten der Religion damit erweise; und die „Jugend“ 26: Hülle dich in Tand und Flitter, wappne dich als stolzen Ritter. Anderseits mußte Goethe schreiben: Er zeigt sich (ohne es zu beabsichtigen, sondern wie er es eben war) als ein Strebender; ein neuerer Musikkritiker: Herr B. erwies sich als fertiger Pianist (was er war), aber als ziemlich gewöhnlicher Komiker (was er gewiß nicht beabsichtigte); G. Keller: Er hatte sich immer als unwürdiger Mensch gezeigt, und: Auch der Tuchscherer blieb in der Freundschaft und erhielt sich als ein geborgener Mann; und G. Hauptmann (E. Quint): Was Wunder, daß er sich kaum noch als Mensch empfand!

Es ist leicht erklärlich, daß ein so feiner Unterschied nicht immer gewahrt wird, vielleicht auch nicht immer gemacht werden kann, und so ist es kein Wunder, daß gemäß dem Zuge der Sprache nach Ausscheidung des Unbebequemen einer der beiden Fälle immer mehr die Oberhand gewinnt, und zwar, weil diese rückbezüglichen Zeitwörter dem Zustandsworte sein so $Seite 224$ nahe kommen, ganz natürlich der Nominativ. So herrscht dieser denn schon fast ausschließlich bei den abgegriffensten unter diesen Wörtern: sich bewähren, - zeigen, - erweisen, neben denen er auch schon bei Goethe überwog. Auf den ziemlich 600 Seiten des 1. Bandes von Junkers „Reise durch Afrika" wird man z. B. Dutzende Fügungen der Art finden: Hansal war ein wahrhaft guter Mann und hat sich in der Folge als solcher (als der er bekannt war) bewährt; aber auch von der Darstellung unerwarteter Eigenschaften: Ch. Effendi erwies sich als ein über das Durchschnittsmaß türkischer Beamtenbildung hinausragender Mann. Auch Hindenburg (1920) schreibt: Der Zar von Bulgarien bewährte sich uns gegenüber als treuer Bundesgenosse. Natürlich ist auch: er entpuppte sich als ein ... begeisterter Nimrod (Tgl. R.), und mit einem seltneren Wort: Man darf sich nicht als ein Bücherwurm (wenn man auch einer ist) verspinnen (Hohlbaum). Auch neben sich unterzeichnen, - unterschreiben, - empfehlen wird man sich über den überwiegenden Gebrauch des ersten Falles nicht wundern dürfen, wo völlig intransitive Formen in gleichem Sinne daneben stehn, wie ich zeichne, - verbleibe u. ä.//1 Scharf gefaßt ist auch hier ein Unterschied vorhanden: Im vierten Fall empfiehlt, unterschreibt man sich in einem Verhältnisse das man mit diesen Formeln erst herstellt ernstlich oder als Redensart; dagegen ist nur der erste Fall anwendbar für ein Verhältnis in dem man schon zu jemand steht. Man kann sich also z. B. empfehlen als jemandes aufrichtigsten Verehrer, ergebensten Diener; aber nur als sein dankbarer Schüler; denn daß man jemandes Schüler ist, weiß dieser schon und von seiner Dankbarkeit soll man nicht besondere Worte machen müssen.//. Ebenso verbinden sich fühlen mit dem ersten Falle nicht nur die neueren Schriftsteller, wie Holtei: Ich fühle mich nicht starker Geist genug zu widersprechen, sondern auch ein Sprachforscher wie Hildebrand: Jeder Gebildete fühlt sich gern als mit bestellter Wächter dieser Bildung; und L. Corinth dreimal derart: Ich fühle mich als Preuße und kaiserlicher Deutscher. Nur etwa, wenn hervorgehoben werden soll, daß das Sein dem Fühlen nicht entspricht, wird der vierte Fall besser sein. So schreibt wieder R. Hildebrand: Ich fühle mich als heftigen Gegner des Aristokratismus auf den Gebieten, die ich die meinen nenne; und in der Tgl. R. ein Reisender, der von einem Raja wie ein Fürst aufgenommen worden war: Ich fing an, mich als kleinen Herzog zu fühlen. Ähnlich überwiegt durchaus der erste Fall bei sich darstellen, sich ankündigen, sich bezeichnen, da es ja auch öfter darauf ankommt, was man ist, einfach auch darzustellen und anzukündigen, als darauf Nachdruck zu legen, daß man den Leuten etwas Neues sagen und zeigen will: Als erster Zufluchtsort für die guten Stilisten stellt sich die Revue des deux mondes dar (Rodenberg).



Zweifelsfall

Verb: Valenz

Beispiel
Bezugsinstanz Literatursprache, Zeitungssprache, Hauptmann - Gerhart, Keller - Gottfried, Goethe - Johann Wolfgang, Sprachgelehrsamkeit, Gegenwärtig, 20. Jahrhundert, Hindenburg - Paul von, Hohlbaum - Robert, Holtei - Karl von, Junker - Wilhelm, Corinth - Lovis, Lessing - Gotthold Ephraim, Neu, Literatursprache, Fachsprache (Musik), Redewendung/Sprichwort, Rodenberg - Julius, Hildebrand - Rudolf
Bewertung

besser, Frequenz/herrscht schon fast ausschließlich, Frequenz/überwiegt, Frequenz/überwog, mußte schreiben, natürlich, wird man sich nicht wundern dürfen

Intertextueller Bezug