Verbundene Mittelwörter

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Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 339 - 342
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Unsicherheit
Text

Auch auf den vierten, dritten, ja zweiten Fall können solche Mittelwörter bezogen werden, wenn die Bedeutung des partizipialen oder dafür auch adjektivischen oder substantivischen Aussagewortes für sich allein deutlich genug nur eine Beziehung zuläßt. Oder kann ein Leser, wenn er nicht gerade durch ängstliche Regeln scheu gemacht ist, im Ernste an Sätzen wie den folgenden Anstoß nehmen? Harrend auf des Morgens Wonne, Östlich spähend ihrem Lauf, Ging auf einmal mir die Sonne Wunderbar im Süden auf; und: Dir zu jedem Dienst erbötig, schöne Luna, sei uns gnädig (Faust II); Ohne Vermögen, war eine strenge Wirtschaftlichkeit ihm notwendig gewesen; Gewohnt, alles durch Gewalt zu erzwingen, hat sich bei dem polnischen Adel das Gefühl des Mitleidens und der Dankbarkeit nur sehr wenig entwickelt (v. Boyen). Auf der obersten Stufe die letzte Verbeugung machend, überraschte mich der Kanzleivorsteher (Grillparzer); Goethen wenig kennend, mit Schiller auf dem Felde unfruchtbarer Reflexion umherirrend, traten Sie mir als Apostel zugleich der Natur und der Kunst entgegen (Hebbel). —

In andern Fällen beugen Grammatik und Stilistik jeder Zweideutigkeit vor.

Zunächst auf einen dritten oder vierten Fall neben einem unpersön- $Seite 340$ lichen Ausdrucke, also aus dessen logisches Subjekt ein Mittel- oder Eigenschaftswort zu beziehen, braucht sich niemand zu bedenken, weil kein Hörer oder Leser über dessen Zugehörigkeit zu jenem auch nur einen Augenblick in Zweifel sein kann: Weichherzigkeit und an allem fremden Unglück aufrichtig teilnehmend, dünkte es ihn unmöglich, daß er gerade hier nicht sollte helfen dürfen. Von Natur groß angelegt, wurde es ihm unmöglich, sich in kleinen Geschäftsverhältnissen zurechtzufinden (Leipz. Illustr. Ztg.).

Nicht minder genügt es für jedes nachgestellte Mittel- oder Eigenschaftswort, das freilich dann nie allein stehen darf, sondern als Aussagewort eines abgekürzten Satzes weitere Bestimmungen neben sich haben muß//1 Sätze wie: Aristoteles, gefragt, warum er nie Almosen gebe, sagte wirken z. T. nur, weil das Part. so allein steht, als bloße Übersetzung; z. T. auch deshalb, weil diese Stellung des Partizips das Prädikat ebenso sehr vom Subjekte losreißt, als die Stellung: Aristoteles sagte, gefragt usw. das Prädikat vom Objektssatze trennt; alles Bedenken, die es für die alten Sprachen mit ihrer andern Wortstellung nicht gibt. Am deutschesten ist die Form: Als Aristoteles einmal gefragt wurde usw.//, daß es mit dem letzten vorhergehenden Hauptworte, das zugleich für den Satz oder den Satzteil das Wichtigste sein muß, auf gleicher Tonwelle ruht. So heißt es unzählige Male ähnlich wie schon bei Goethe 1771: Was wird man zu dem Exekutor sagen, der dem Toten sein Sterbehemd auszieht und seine mißgestaltete Nacktheit an eine Landstraße hingeworfen den Augen des Publikums preisgibt; Es war im letzten Monat 1853, als der Dichter von der jungen, schönen Frau, umgeben von ihren blühenden drei Kindern, empfangen wurde (Tgl. R.); Die welligen Wiesen erweiterten sich zu schwarzen Brachäckern, von Rasenstreifen durchkreuzt, hier und da eine schmale ... Linie schlanker Ulmen zeigend (Spangenberg). Bedenklich wird der Widerspruch zwischen dem Beziehungs- und dem Mittelworte, wenn jenes im Genetiv steht und dieses gar noch einen vergleichenden Nominativ bei sich hat: Keinesfalls versäume man den Besuch des Krimmler Tals, schöner noch als der Zirkus des Schlegeisengrundes (Amthor), hauptsächlich gilt es aber, von Unklarheiten abgesehn, nicht ganz kurze Partizipien nachzustellen, da sie nach deutscher Art deutlicher und ohne Unbehagen zwischen Artikel und Substantiv stehn. Also nicht: die Kosten des Krieges, erklärt von Napoleon, sondern: des von Napoleon erklärten Krieges; nicht: sie begegneten Arbeiterinnen vom Felde heimkehrend (F. v. Keyserling), sondern: vom Felde heimkehrenden Arbeiterinnen.

Ganz ungerechtfertigt ist es auch, wenn die Sprachrichter von saloppem Satzbau reden, sobald ein Mittel- oder Eigenschaftswort an die Spitze des Satzes gestellt wird und bei weiterer Ausschmückung nun Subjekt und Prädikat an ihrer zweiten und dritten Stelle etwas weiter hinterrücken. Denn mag auch dieser Satzbau zum Teil auf französischem Einflusse beruhen, so bleiben es doch Fügungen, die keinem Gesetze der deutschen Sprache zuwiderlaufen. Wenn aber die Klarheit, Durchsichtigkeit und Bestimmtheit französischer Satzfügung zum guten Teil auf ihren vorausgestellten Mittelwörtern beruht, sofern sie gleich im voraus angeben, unter welchen bedingenden Umständen, unter welcher Voraussetzung, aus welchen Gründen die im nachfolgenden Satze mitgeteilte Tatsache sich entwickelt und gilt, warum füllten wir da in der Einführung dieser Form, einer innern Sprach- $Seite 341$ form//1 Vgl. O. Brenner, Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins 1891 (S. 19).//, nicht eine gesunde Weiterentwicklung anerkennen? Jedenfalls ist das beste deutsche Schrifttum von Goethe bis heute ungemein reich an solchen Mittelwortfügungen.

Zwei Mittel sind es vor allem, durch die der Voranstellung des Mittelworts alles Bedenkliche benommen werden kann. Das eine ist ein an das vorangestellte Mittel-, häufiger übrigens Eigenschaftswort angehängter Satz mit wie//2 Ganz unbegründeterweise wird diese Ausdrucksweise darum angefochten, daß kein Vergleich vorliege. Schon das Lateinische hat diesen Übergang von der vergleichenden Partikel ut zu einer kausalen Verwendung gesunden: Permulta colligit Chrysippus, ut est in omni historia curiosus. Daß aber die Fügung vom begründenden Verhältnisse auch auf das einräumende ubergegangen ist wie oben in dem letzten Satze, liegt in der nahen Verwandtschaft dieser den Grund für das Gegenteil angebenden Sätze.//, an dessen Subjekt sich jenes dann anlehnt, ganz wie nach § 243, 1 ein Hauptwort an ein Relativum. In Goethes Fußstapfen geht denn auch Grillparzer: Klein, wie er war, und unter dem Notenpult in seiner Hand nach allen Seiten stöhnend, schob ihn einer dem andern zu; und ein neuerer Erzähler mit den Fügungen: Mutterlos wie ich war, wuchsen wir zusammen auf, und: Eng wie die Stube und die Gastlichkeit war, war er doch deshalb erfreut über die Ordnung und Sauberkeit.

Weit häufiger und, weil es kein besonderes Formwort benötigt, ohne jede Gefahr der Einförmigkeit anwendbar ist das andere Mittel, an die Spitze des Satzes gestellten Mittel- und Eigenschaftswörtern die richtige Beziehung zu sichern, noch ehe man ihr formelles Beziehungswort im Satze selber hört und liest. Es besteht darin, daß dieses zugleich im vorhergehenden Satze Subjekt oder doch der den Inhalt beherrschende Satzteil ist, freilich ein Gesichtspunkt, den der die Sätze aus ihrem Zusammenhange herausreißende Sprachmeister nicht kennt. Zweifelsohne wäre in dem Grosseschen Satz: Kaum im Hofe des Herrenhauses angekommen, empfingen ihn zwei Personen, so außerhalb des Zusammenhanges die Beziehung des Mittelwortes nicht völlig sicher; aber niemand kann mehr zweifeln, wer angekommen ist, wenn er vorher gelesen hat: So schritt Gebhardt zum Herrenhause zurück; er befand sich keineswegs in gehobner Stimmung; sein Auge war zu Boden gerichtet, so daß er nichts von den besorgten Blicken der Nachbarn wahrnahm, die ihm nachschauten. Bei E. T. A. Hoffmann liest man ähnlich: Anselmus hatte schon mehrere Tage beim Archivarius gearbeitet. Von einem vorübergleitenden Hauche leise berührt, durchströmte ihn eine nie gefühlte Behaglichkeit; bei Friedr. Halm: Sie schritten leise über den Gang. An die Tür gekommen, die in das Gemach ihres Vaters führte, stockten ihre Schritte; bei G. Keller: Er holte ein großes Album ... herbei ... Mit dem Schlüsselchen geöffnet, zeigte sich Blatt um Blatt eine Welt von Schönheit; und: Das war nun freilich eine herrliche Erscheinung zu nennen; über Vermögen reich gekleidet, die hohe Gestalt von Seide rauschend, trat dennoch alle Pracht zurück vor der Schönheit der Gestalt; bei Rodenberg: Völlig gelähmt, fast erblindet, kaum noch fähig, den Bleistift zu halten, setzt sein Geist den Kampf mit dem heimtückischen Gast fort. Nur wer solche Sätze aus $Seite 242$ dem Zusammenhange gerissen hört, hat die billige Möglichkeit, einen Witz über den bleistifthaltenden Geist u. dgl. zu machen; wer vorher mehrere Seiten von Heine und zuletzt vom leidenden Heine gelesen hat, denkt an gar keine falsche Beziehung. Dazu ein gleich gerechtfertigter Satz aus einer Zeitung: Er war unerbittlich gegen Lüge und Gemeinheit, übrigens duldsam, mild und versöhnlich. Ein Bild ernster Männlichkeit, stattlich, fest und stramm in seiner äußern Erscheinung, leuchtete ernste Herzensgüte und die Unschuld eines kindlichen Gemüts aus seinen Augen. Schon Novalis hat geschrieben: Eingewiegt in sel’ges Schauen, ängstigt mein Gemüt kein Schmerz; Max von Schenkendorf schrieb 1816: Durch zehnjährigen Dienst in den verschiedensten Verhältnissen an die Arbeit gewöhnt, in den Rheinprovinzen nicht ungekannt und nicht ungern gesehen, würde meiner Liebe zu König und Vaterland ein solcher Platz recht willkommen sein. Der Universitätsproffesor Max Wundt schreibt in einem Werk über Wilh. Meister 1913: Wochentags hinter den Ladentisch gebannt, Sonntags auf langweiligen Familienspaziergängen nur zum Besuch in der Natur, dringt kein freier und großer Zug aus der Wirklichkeit in das Leben des heranwachsenden Knaben; H. Stehr (1918): Das erstemal erklang auch der Name des Heiligenbauers und seiner blinden Tochter. Freilich verzerrt, journalistisch zurechtgeschnitten, zu Veranlassungen geistreichelnder Antithesen gemißbraucht, konnte sich niemand ein Bild von diesen beiden Menschen machen; und mit Anlehnung an das Akkusativobjekt des vorangehenden Satzes: Das blutige Strafgericht des Bischofs im Jahre 1835 trieb sie hier in die Einöde. Geächtet, versteckt, die Inbrunst ihrer heißen Gottessucht oft insgeheim verbergend, legte dies den Grund zum sprunghaften, außergewöhnlichen Wesen der Querhovener Menschen.


Zweifelsfall

Ambige Satzanschlüsse

Beispiel
Bezugsinstanz Amthor - (?), Zeitungssprache, Leipzig, Goethe - Johann Wolfgang, Spangenberg - Pauline, Grillparzer - Franz, Schenkendorf - Max von, 19. Jahrhundert, 20. Jahrhundert, Stehr - Hermann, Hardenberg, Georg Philipp Friedrich von (Novalis)
Bewertung

alles Bedenkliche benommen, Am deutschesten, Bedenklich wird der Widerspruch, bleiben es doch Fügungen, die keinem Gesetze der deutsche Sprache zuwiderlaufen, braucht sich niemand zu bedenken, denkt an gar keine falsche Beziehung, Frequenz/häufiger, Frequenz/unzählige Male, Frequenz/weit häufiger, Ganz unbegründeterweise wird diese Ausdruckswesie angefochten, genügt es, gesunde Weiterentwicklung, gilt es aber, gleich gerechtfertigter, in Goethes Fußstapfen, Kann ein Leser, wenn er nicht gerade durch ängstliche Regeln scheu gemacht ist, im ersnte an Sätzen wie den folgenden Anstoß nehmen, muß, nach deutscher Art deutlicher und ohne Unbehagen, nicht, nie allein stehen darf, niemand kann mehr zweifeln, Nur wer solche Sätze aus dem Zusammenhange gerissen hört, hat die billige Möglichkeit, einen Witz über den bleistifthaltenden Geist u. dgl. zu machen, ohne jede Gefahr der Einförmigkeit anwendbar, sondern, wirken als bloße Übersetzungen

Intertextueller Bezug O. Brenner: Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins 1891 (S. 19)


Zweifelsfall

Wortstellung: Inversion

Beispiel
Bezugsinstanz Amthor - (?), Goethe - Johann Wolfgang, Keyserling - Hermann Graf
Bewertung
Intertextueller Bezug