darin, daraus, daran, darauf usw.

Aus Zweidat
Version vom 12. Juni 2017, 13:26 Uhr von Sstark (Diskussion)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche
Buch Wustmann (1903): Allerhand Sprachdummheiten. Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen
Seitenzahlen 227 - 231
Externer Link zum Kapiteltext

Nur für eingeloggte User:

Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

Pronominaladverb oder Präpositionalphrase

Genannte Bezugsinstanzen: Schriftsprache, Grimm - Jacob, Gesprochene Sprache
Text

Es find ja aber nicht bloß die Fürwörter er und dieser (oder der), die durch den unsinnigen Mißbrauch verdrängt und vermengt werden: er wollte sagen derselbe frißt noch weiter, viel weiter. In der lebendigen Sprache haben wir die leichten, zierlichen Adverbia: darin, daraus, daran, darauf, dabei, davor, dahinter, damit, darum, dafür, dazwischen usw.; jeder braucht sie hundertmal des Tags. Aber sowie einer die Feder ergreift — wehe den armen! Dann heißt es: in demselben, aus demselben, an demselben, auf demselben, mit demselben, bei demselben, zwischen denselben usw. — auch in dieser Gestalt storcht das langbeinige Ungetüm überall durch unsre Schriftsprache. Das Denkmal will alles Prunkvolle vermeiden, nur das allgemein Menschliche soll in demselben (darin!) betont werden — die Geistlichen hatten ihren eignen Predigtstuhl und in demselben (darin!) jeder seinen bestimmten Platz — so sehr ich in diesem Punkte mit dem Verfasser einverstanden bin, so entschieden muß ich die Forderungen bekämpfen, die er aus demselben (daraus!) ableitet — sie betrachteten sich als die alleinigen Eigentümer des Landes und gestanden andern keinen Anteil an demselben (daran!) zu — obgleich durch den Regen der Abmarsch des Festzuges verspätet und die Beteiligung an demselben (daran!) beeinträchtigt wurde — im Jahre 1560 wurde der Turm erhöht und eine Wohnung auf demselben $Seite 228$ (daraus!) erbaut — die Wiesen waren wieder getrocknet, Und bald entwickelte sich auf denselben (darauf!) ein üppiger Graswuchs — 1890 reichte die Zahl an den Durchschnitt hinan, 1900 blieb sie hinter demselben (dahinter!) zurück — der Boden war überall von so wunderbarer Beschaffenheit, daß sich kaum die fruchtbarsten Gegenden Deutschlands mit demselben (damit!) vergleichen ließen — der Holzbau ist ein viel zu überwundner Standpunkt, als daß es der Mühe lohnte, sich in der Praxis mit demselben (damit!) zu befassen — die Erziehung des Knaben ruhte ausschließlich in den Händen der Mutter, da sich der Vater, der sich viel auf Reisen befand, nicht um dieselbe (darum!) kümmern konnte — hier bedarf es des Glaubens an die gute Sache und der Begeisterung für dieselbe (dafür!) — keinem kann dieses Studium erlassen werden, wohl aber bereitet sich für dasselbe (dafür!) ein neuer Maßstab vor — dieser Gedanke wurde am Mainzer Hofe lebhaft erwogen, der Kurfürst war ganz von demselben (davon!) erfüllt — die Fürstin wünschte lebhaft, das Bild zu besitzen, aber Angelika konnte sich von demselben (davon!) nicht trennen — in der Mitte des Schrankes hängt ein mächtiges, reich verziertes Schwert, neben demselben (daneben!) rechts und links zwei kleinere Schwerter — in diesen Graben fließt eine bedeutende Wassermenge, deshalb ist auch ein Steg über denselben (darüber!) gelegt — die Presse ist noch nicht einig, ob sie den Vorfall bedauern oder sich über denselben (darüber!) freuen soll — das Partizip steht hier absolut, ein Komma hinter demselben (dahinter!) würde nur irre führen usw. Anders wird gar nicht geschrieben.

Nach einem weit verbreiteten Aberglauben sollen sich die Adverbia darin, darauf, dafür usw. immer nur auf eine Handlung, ein Zeitwort, einen ganzen Satz, aber nie auf ein Hauptwort beziehen können. Es sei also zwar richtig, zu antworten: ich kann mich nicht darauf besinnen — wenn gefragt worden sei: besinnst du dich, was du mir damals versprochen hast? aber nicht wenn die Frage gelautet habe: besinnst du dich $Seite 229$ auf den Ausdruck, den du damals gebraucht hast? Die angeführten Beispiele zeigen diesen Aberglauben in seiner ganzen Lächerlichkeit. Die lebendige Sprache setzt die Adverbia überall statt der Präposition in Verbindung mit einem persönlichen Fürwort. Nur auf Personen können sie sich nicht beziehen, da muß das persönliche Fürwort stehen. Es gibt zwar Fälle, wo das Adverb auch bei Sachen etwas ungewöhnlich klingt, z. B.: wer die hiesigen Universitätsverhältnisse und mein Verhalten dazu nicht kennt; aber das liegt nur daran, daß uns das dumme derselbe so oft vor die Augen gebracht wird, daß uns schließlich das einfache und natürliche befremdet. Und was hindert denn, auch hier das persönliche Fürwort zu gebrauchen? Warum sagt man nicht: die hiesigen Universitätsverhältnisse und mein Verhalten zu ihnen? Bei ohne scheint sowieso nichts andres übrig zu bleiben, denn ein Adverb darohne gibt es nicht, obwohl man es zu bilden versucht hat. Auch bei dem Neutrum es entsteht eine Schwierigkeit. Sie wollte sich durch das Geld Vorteile verschaffen, auf die sie ohne dasselbe nicht rechnen konnte — hier ist doch wohl dasselbe ganz unvermeidlich? Soll man schreiben: ohne es? Jakob Grimm hätte es getan, er schrieb so, er wollte, daß es nicht anders behandelt würde als ihn und sie, und einige sind ihm darin gefolgt. Es klingt aber doch seltsam, denn es ist gewöhnlich tonlos, und hier müßte es betont werden. Gibt es denn aber wirklich keinen Ersatz für das fehlende darohne? Gewiß gibt es einen, und er heißt — sonst! Sie wollte sich durch das Geld Vorteile verschaffen, auf die sie sonst nicht rechnen konnte. Das ist gutes Deutsch.

Bisweilen erscheinen in einem Satze zwei gleichklingende persönliche Fürwörter unmittelbar hintereinander, z. B. sie als Femininum und als Plural: Handlungen dieser Art suchte die Gewerbeordnung zu unterdrücken, indem sie sie verbot. Etwas schrecklicheres ist ja für die Augen des Papiermenschen gar nicht denkbar. Da muß es doch unbedingt heißen: indem sie dieselben verbot? Nein, auch da nicht, denn man spricht nicht so, man spricht frischweg sie sie, und was gesprochen $Seite 230$ und gehört nicht mißfällt, ja nicht einmal auffällt, kann doch auch geschrieben oder gedruckt keinen Anstoß erregen! Wenn sich in einer Schulklasse die Mädchen gezankt haben, zwei einer dritten ein Buch weggenommen haben, der Lehrer Frieden stiftet und dann fragt: habt ihr ihr ihr Buch wiedergegeben? so ist das doch noch viel „schlimmer." Aber wird der Lehrer deshalb fragen: habt ihr derselben ihr Buch wiedergegeben?

Der abhängige Genitiv endlich (desselben und derselben) kann überall durch sein und ihr ersetzt werden, denn daß diese Fürwörter nur im reflexiven Sinne gebraucht werden konnten, ist doch auch nur Aberglaube.//* Beim Übersetzen aus dem Lateinischen z. B. sollte streng darauf gehalten werden, daß kein ejus und eorum mit desselben und derselben übersetzt werde.// Als die Kaiserin das Schloß besichtigt und die Schönheit desselben bewundert hatte — warum nicht: seine Schönheit? Die Sammlung ist so zeitgemäß, daß zur Rechtfertigung derselben kein Wort zu verlieren ist — warum nicht: zu ihrer Rechtfertigung? Freilich würden einige Geschäfte dann eingehen, da die ganze Bedeutung derselben darin beruht usw. — warum nicht: ihre ganze Bedeutung? Auch wer sich tief in die Eigentümlichkeiten der spanischen Dichtung versenkt hat und von der lebhaften Bewunderung für die Vorzüge derselben durchdrungen ist — warum nicht: für ihre Vorzüge? Wo eine Verwechslung, ein Mißverständnis entstehen könnte, da schreibe man dessen und deren, z. B.: es muß dem Biographen nachgerühmt werden, daß er bei aller Liebe zu seinem Helden doch nicht blind für dessen Schwächen ist. Aber nur nicht desselben! In den allermeisten Fällen aber man achte nur darauf und versuche es! — kann man den Genitiv einfach streichen, ohne daß der Gedanke auch nur im geringsten an Deutlichkeit verlöre. Nicht auf den Stoff kommt es an, sondern auf die Behandlung desselben — über die Aufgaben waren alle einig, nur schlugen sie zur Lösung derselben verschiedne Wege ein — die Erklärung des Parteitags fand so viel Beifall, $Seite 231$ daß sich die Führer desselben ermutigt sahen — Gregor klagte, daß sie die Kirche zerstört und das Material derselben zum Bau ihrer Häuser verwendet hätten — zu den Unregelmäßigkeiten in der äußern Anlage unsrer Dörfer kommt noch die Unregelmäßigkeit im innern Aufbau derselben — ich habe die Fachausdrücke des Deutschen und des Französischen miteinander verglichen und habe gefunden, daß die Mehrzahl derselben übereinstimmt — nachdem die Gäste das Gasthaus verlassen hatten und die Wirtin desselben die Tür verschlossen hatte — man streiche überall desselben und derselben: ist irgendwo ein Mißverständnis möglich? Der Kaiser unternahm heute einen längern Spazierritt und erledigte nach der Rückkehr von demselben Regierungsgeschäfte. Ja, wovon soll er denn sonst zurückgekehrt sein, als von — demselben?


Zweifelsfall

Pronominaladverb oder Präpositionalphrase

Beispiel

darin, daraus, daran, darauf, dabei, davor, dahinter, damit, darum, dafür, dazwischen

Bezugsinstanz Schriftsprache, Grimm - Jacob, gesprochene Sprache
Bewertung

Frequenz/hundertmal des Tags, langbeiniges Ungetüm, seltsam, unsinniger Missbrauch

Intertextueller Bezug