Camerarius an Vettori, 22.03.1561: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Joachim Camerarius (1500-1574)
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Es ist problematisch, dass der [[Erwähntes Werk::Vettori an Camerarius, 01.01.1561|Antwortbrief]] auf diesen Brief auf den 01.01.1561 (also drei Monate früher) datiert ist. Offensichtlich kann höchstens ein Datum stimmen. Der Antwortbrief nimmt Bezug auf eine Briefsammlung, die erst im Verlaufe des Jahres 1561 veröffentlicht wurde: man darf also annehmen, dass der erste Januar als Datumsangabe bloß ein Platzhalter ist. Falls der Brief also später im Jahr 1561 geschrieben wurde, lässt sich auch das Datum des ersten Briefs halten.
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Es habe schon lange keinen Briefwechsel zwischen den beiden mehr gegeben, obwohl Camerarius eigentlich noch eine Antwort auf seinen Brief von vor drei Jahren (unbekannt) erwarte. Falls Vettori doch eine Antwort verfasst habe, könne diese abgefangen worden sein, fürchte Camerarius. So gebe es Gerüchte, dass Vettori einem von Camerarius‘ Landsmännern diesen Brief über [Erwähnte Person::Lukrez|Lukrez‘]] Werk mitgegeben habe. Zu seinem Leidwesen habe Camerarius diesen Brief allerdings nicht ausfindig machen können. Erst vor kurzem habe er nämlich wieder angefangen, Vettoris Arbeiten zu lesen, wobei es ihn umso mehr schmerzt, dass dieser Brief jetzt womöglich eines andern Regal füllt. Dies sei wohl der zunehmenden Verrohung der aktuellen Zeit geschuldet.
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Nachdem er Vettoris Schrift (unbekannt) erhalten habe, sei ihm ein Buch eines gewissen Autors (anynym gehalten, aber als [[Erwähnte Person::Marc-Antoine Muret]] zu identifizieren; siehe [[Erwähntes Werk::Vettori an Camerarius, 01.01.1561]]) in die Hände gekommen, in dem sowohl er selbst als auch Vettori persönlich angegriffen würden. Er habe an der fehlenden Kultiviertheit dieses Mannes Anstoß genommen, noch dazu habe auch [[Erwähnte Person::Hesiod]] schon davor gewarnt, einem Bedürftigen seine Armut vorzuhalten (μηδέ ποτ’ οὐλομένην πενίην θυμοφθόρον ἀνδρὶ τέτλαθ’ ὀνειδίζειν, Ἐργα καὶ Ἡμέραι 717). Andererseits habe dieser junge Mann herausragendes Talent und viele der besten Literaten als Gewährsmänner. Wie auch [[Erwähnte Person::Plautus]] schon bezeugt habe, sei Überheblichkeit in einer solchen Lage nicht unangemessen (Secundas fortunas decent superbiae, Stichus 300).
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Weil er einerseits der Ansicht gewesen sei, Plautus eigne sich gut, um Lateinkenntnisse zu verbessern, dessen Werke aber andererseits nur sehr fehlerdurchsetzt vorlägen, vielleicht weil sie einer einzigen alten Handschrift entstammten, hätte er beschlossen, eine [[Erwähntes Werk::Plautus, Comoediae viginti, 1552|emendierte Version]] herauszugeben, damit auch die Jugend davon profitieren könnte, obwohl die Bedingungen für eine gelungene Edition nicht gut gewesen seien. So also habe er sein Material veröffentlicht und seinen Dank jenen bekundet, die Besseres leisten könnten. Als seine Manuskripte in [[Erwähnter Ort::Basel]] gedruckt wurden, habe er Material teilweise hastig dorthingeschickt, sodass die Edition recht fehlerhaft war.
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Wenn er die fachlichen Beiträge dieses Mannes auch hoch schätze, vermisse er seine menschlichen Qualitäten, dass dieser ihn, Camerarius, der noch nie mit seinen Schriften geprahlt habe, so sehr angehe, und auch noch dazu die Unverschämtheit besitze, Vettori anzugreifen. Er wolle aber versuchen, es sich nicht allzusehr zu Herzen zu nehmen, da der junge Mann mit guten Eigenschaften einiges wiedergutmache (ἄλλοις ἐν ἐσθλοῖς τόνδ’ ἀπωθοῦνται ψόγον, ''Tragica Adespota'', 105) und noch nicht den richtigen Blick für das wirklich Wichtige habe, sondern sich oft in kindlichen Spielereien und Imponiergehabe verliere.
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Ein Jahr zuvor, als sein Sohn ([[Erwähnte Person::Joachim Camerarius II.|Joachim]]) für ein Medizinstudium nach Italien aufbrach, wollte er eigentlich einen Brief an Vettori verfassen und mitschicken, allerdings wurde er durch anderweitige Verpflichtungen abgehalten. Sein Sohn begab sich dann zunächst nach [[Erwähnter Ort::Padua]]. Er wisse nicht, wohin ihn die Route dann geführt habe, und ob der Vettori besucht habe. Falls er dies tue, wünsche er sich für seinen Sohn einen herzlichen Empfang und dass Vettori mit seiner Weisheit und Autorität gut auf seinen jungen Charakter einwirke. Im Gegenzug sei er sich Camerarius‘ großer Dankbarkeit gewiss. Falls Vettori an etwas Neuem arbeite, solle er es ihn bitte wissen lassen.

Version vom 8. Juni 2021, 14:11 Uhr



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Chronologisch vorhergehende Briefe
Briefe mit demselben Datum
Chronologisch folgende Briefe
 Briefdatum
Camerarius an Vettori, 05.01.1556(?)1556 JL
Vettori an Camerarius, 14.07.1555(?)17 Juli 1555 JL
Camerarius an Vettori, 01.04.1555(?)1 April 1555 JL
 Briefdatum
Camerarius an Vettori, 22.03.156122 März 1561 JL
 Briefdatum
Vettori an Camerarius, 01.06.15611 Juni 1561 JL
Camerarius an Vettori, 24.03.156224 März 1562 JL
Camerarius an Vettori, 09.07.15629 Juli 1562 JL
Werksigle OCEp 1244
Zitation Camerarius an Vettori, 22.03.1561, bearbeitet von Manuel Huth (08.06.2021), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_1244
Besitzende Institution
Signatur, Blatt/Seite
Ausreifungsgrad Druck
Erstdruck in Camerarius, Epistolae familiares, 1595
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck S. 465-468
Zweitdruck in
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck
Sonstige Editionen
Wird erwähnt in
Fremdbrief? nein
Absender Joachim Camerarius I.
Empfänger Pietro Vettori
Datum 1561/03/22
Datum gesichert? nein
Bemerkungen zum Datum 11. Cal. April.
Unscharfes Datum Beginn
Unscharfes Datum Ende
Sprache Latein
Entstehungsort Leipzig
Zielort o.O.
Gedicht? ja
Incipit Longo sane tempore neque a te istinc
Link zur Handschrift
Regest vorhanden? nein
Paratext ? nein
Paratext zu
Kurzbeschreibung
Anlass
Register Biographisches (Rezeption)
Handschrift unbekannt
Bearbeitungsstand unkorrigiert
Notizen
Wiedervorlage ja
Bearbeiter Benutzer:MH
Gegengelesen von
Datumsstempel 8.06.2021
Werksigle OCEp 1244
Zitation Camerarius an Vettori, 22.03.1561, bearbeitet von Manuel Huth (08.06.2021), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_1244
Ausreifungsgrad Druck
Erstdruck in Camerarius, Epistolae familiares, 1595
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck S. 465-468
Wird erwähnt in
Fremdbrief? nein
Absender Joachim Camerarius I.
Empfänger Pietro Vettori
Datum 1561/03/22
Datum gesichert? nein
Bemerkungen zum Datum 11. Cal. April.
Sprache Latein
Entstehungsort Leipzig
Zielort o.O.
Gedicht? ja
Incipit Longo sane tempore neque a te istinc
Regest vorhanden? nein
Paratext ? nein
Register Biographisches (Rezeption)
Datumsstempel 8.06.2021


Hinweise zur Datierung

Es ist problematisch, dass der Antwortbrief auf diesen Brief auf den 01.01.1561 (also drei Monate früher) datiert ist. Offensichtlich kann höchstens ein Datum stimmen. Der Antwortbrief nimmt Bezug auf eine Briefsammlung, die erst im Verlaufe des Jahres 1561 veröffentlicht wurde: man darf also annehmen, dass der erste Januar als Datumsangabe bloß ein Platzhalter ist. Falls der Brief also später im Jahr 1561 geschrieben wurde, lässt sich auch das Datum des ersten Briefs halten.

Regest

Es habe schon lange keinen Briefwechsel zwischen den beiden mehr gegeben, obwohl Camerarius eigentlich noch eine Antwort auf seinen Brief von vor drei Jahren (unbekannt) erwarte. Falls Vettori doch eine Antwort verfasst habe, könne diese abgefangen worden sein, fürchte Camerarius. So gebe es Gerüchte, dass Vettori einem von Camerarius‘ Landsmännern diesen Brief über [Erwähnte Person::Lukrez|Lukrez‘]] Werk mitgegeben habe. Zu seinem Leidwesen habe Camerarius diesen Brief allerdings nicht ausfindig machen können. Erst vor kurzem habe er nämlich wieder angefangen, Vettoris Arbeiten zu lesen, wobei es ihn umso mehr schmerzt, dass dieser Brief jetzt womöglich eines andern Regal füllt. Dies sei wohl der zunehmenden Verrohung der aktuellen Zeit geschuldet.

Nachdem er Vettoris Schrift (unbekannt) erhalten habe, sei ihm ein Buch eines gewissen Autors (anynym gehalten, aber als Marc-Antoine Muret zu identifizieren; siehe Vettori an Camerarius, 01.01.1561) in die Hände gekommen, in dem sowohl er selbst als auch Vettori persönlich angegriffen würden. Er habe an der fehlenden Kultiviertheit dieses Mannes Anstoß genommen, noch dazu habe auch Hesiod schon davor gewarnt, einem Bedürftigen seine Armut vorzuhalten (μηδέ ποτ’ οὐλομένην πενίην θυμοφθόρον ἀνδρὶ τέτλαθ’ ὀνειδίζειν, Ἐργα καὶ Ἡμέραι 717). Andererseits habe dieser junge Mann herausragendes Talent und viele der besten Literaten als Gewährsmänner. Wie auch Plautus schon bezeugt habe, sei Überheblichkeit in einer solchen Lage nicht unangemessen (Secundas fortunas decent superbiae, Stichus 300).

Weil er einerseits der Ansicht gewesen sei, Plautus eigne sich gut, um Lateinkenntnisse zu verbessern, dessen Werke aber andererseits nur sehr fehlerdurchsetzt vorlägen, vielleicht weil sie einer einzigen alten Handschrift entstammten, hätte er beschlossen, eine emendierte Version herauszugeben, damit auch die Jugend davon profitieren könnte, obwohl die Bedingungen für eine gelungene Edition nicht gut gewesen seien. So also habe er sein Material veröffentlicht und seinen Dank jenen bekundet, die Besseres leisten könnten. Als seine Manuskripte in Basel gedruckt wurden, habe er Material teilweise hastig dorthingeschickt, sodass die Edition recht fehlerhaft war.

Wenn er die fachlichen Beiträge dieses Mannes auch hoch schätze, vermisse er seine menschlichen Qualitäten, dass dieser ihn, Camerarius, der noch nie mit seinen Schriften geprahlt habe, so sehr angehe, und auch noch dazu die Unverschämtheit besitze, Vettori anzugreifen. Er wolle aber versuchen, es sich nicht allzusehr zu Herzen zu nehmen, da der junge Mann mit guten Eigenschaften einiges wiedergutmache (ἄλλοις ἐν ἐσθλοῖς τόνδ’ ἀπωθοῦνται ψόγον, Tragica Adespota, 105) und noch nicht den richtigen Blick für das wirklich Wichtige habe, sondern sich oft in kindlichen Spielereien und Imponiergehabe verliere.

Ein Jahr zuvor, als sein Sohn (Joachim) für ein Medizinstudium nach Italien aufbrach, wollte er eigentlich einen Brief an Vettori verfassen und mitschicken, allerdings wurde er durch anderweitige Verpflichtungen abgehalten. Sein Sohn begab sich dann zunächst nach Padua. Er wisse nicht, wohin ihn die Route dann geführt habe, und ob der Vettori besucht habe. Falls er dies tue, wünsche er sich für seinen Sohn einen herzlichen Empfang und dass Vettori mit seiner Weisheit und Autorität gut auf seinen jungen Charakter einwirke. Im Gegenzug sei er sich Camerarius‘ großer Dankbarkeit gewiss. Falls Vettori an etwas Neuem arbeite, solle er es ihn bitte wissen lassen.