Schulwandbilder gehören zum kulturellen Gedächtnis Europas, sie sind Zeugnisse historisch-pädagogischer Denkfiguren, Ausdruck fachdidaktischer Erkenntnisstände, Abbilder kultureller Einflüsse und geben als historische Quellen Auskunft über Zeitgeist und politische Einstellungen zwischen ca. 1840 und 1990. Das Projekt Schulwandbilder digital
Mit Schulwandbilder digital wird zugleich das Workflowkonzept für Bild- und Audio-Quellen erprobt. Die für die Schulwandbild-Begleitmaterialien zu entwickelnden Textanalysetools dienen im weiteren Forschungsverlauf als Grundlage für komplexere semantische Analysen und werden für die Verwendung in Bezug auf literarische Quellen ausgebaut und verfeinert. Sowohl in der Konstruktion der Metadaten als auch bei der Digitalisierung und bezüglich der Interoperabilität mit anderen Datenbanken orientiert sich das Projekt an den gängigen bibliothekarischen und von der DFG empfohlenen technologischen Standards, die den Eigenschaften des Objektes gemäß adaptiert werden. Im Bereich der historisch-pädagogischen Bildmedienforschung ist schon aufgrund der Singularität des Online-Portals sowie der bereits vielfach angefragten und erwarteten Vernetzung und Anbindung anderer Schulwandbilddatenbanken mit der Etablierung von de-facto Standards zu rechnen. Durch Weiterentwicklungen im Digitalisierungsverfahren und im Bereich von Social Web Komponenten für die Wissenschaft ist darüber hinaus eine Ausstrahlung des Projektes auf andere Digitalisierungsvorhaben zu erwarten.
Die Forschungsstelle Historische Bildmedien Würzburg (FHBW) beherbergt eine mit mehr als 20.000 Objekten an Repräsentativität und Umfang europaweit einzigartige Sammlung von historischen Schulwandbildern aus allen Unterrichtsfächern, die zu den eindrucksvollsten und noch weitgehend unerforschten ikonischen Zeugnissen vergangener Schul- und Erziehungswelten gehören. Aufgrund ihres hohen Verbreitungsgrades und der fachlich-thematischen Vielfalt stellen sie für Forscherinnen und Forscher der unterschiedlichsten Fachgebiete einen wertvollen Fundus an historischem Quellenmaterial dar. Daneben verfügt die Forschungsstelle über eine umfangreiche Spezialbibliothek, die unentbehrliche Bildkommentare, Lehrmittelkataloge, Lehrerhandbücher und Lehrmittelzeitschriften enthält. Durch das Projekt BayBiGo (2013–2015) kann die FHBW zusätzlich auf über 80 Zeitzeugeninterviews (Video- und Tondokumente) als Quellen des historischen Bildereinsatzes in Schulen zurückgreifen. Für das Projekt stehen ausgewählte Bildobjekte sowie ein Textcorpus aus dem Zeitraum 1890-1970 zur Verfügung.
Die FHBW hat bereits 1998-2002 eine erste Dokumentation der im deutschsprachigen Raum erschienenen Schulwandbilder anhand von Lehrmittel-, Verlagskatalogen und Museumsarchiven erstellt. Die Forschungsdaten wurden in einer SQL-Datenbank erfasst und zum Teil durch Abbildungen ergänzt. Mittels einer in einem studentischen Projekt entwickelten Demonstrationssoftware konnte diese Datenbank 2003 im Netz zugänglich gemacht werden. In einem vergleichenden EU- Projekt (Wallchart , History and European Identity, 2008-2010) wurde in Kooperation mit dem Nationalmuseum für Unterricht in Rotterdam und der Pädagogischen Nationalbibliothek Kopenhagen die Herausbildung einer europäischen Identität im Geschichtsunterricht untersucht und eine kleine Auswahl von ca. 300 Wandbildern aus den drei beteiligten Sammlungen über das Webportal historywallcharts.eu veröffentlicht.
Das Projekt „Schulwandbilder digital“ strebt an,
Um eine kohärente Datenbank der gesammelten Schulwandbilder zu erstellen, kommen im Rahmen von KALLIMACHOS verschiedene Teilschritte der Workflowkette zum Einsatz: Den ersten Schritt stellt die Herstellung hochwertiger Bilddigitalisate der heterogen formatierten Bildquellen dar. Hierbei kommt neben der leistungsstarken Aufnahmetechnik des Würzburger Digitalisierungszentrums eine speziell für die Aufnahme großformatiger Poster konzipierte Unterdruck-Saugwand zum Einsatz. Diese ermöglicht auch für größere Schulwandbilder eine homogen ausgeleuchtete Aufnahme in einem Stück. Zur Erfassung der Digialisate und der dazugehörigen Metadaten wurde der bereits vorhandene Metadateneditor des Digitalisierungszentrums an das Medium Schulwandbild und an die Bedürfnisse der Arbeitsgruppe angepasst. Mit dem für Ende 2016 geplanten Metadateneditor 2.0 wird insbesondere die Verwendung der Datenbank für Suchabfragen deutlich schneller und komfortabler werden. Einen Problemfall stellt die für viele Schulwandbilder noch ungeklärte Urheberrechtsproblematik dar. Verhandlungen mit Schulmedienverlagen sind im Gange.
Neben den Bildern sowie Verlagsinformationen verfügt die Forschungsstelle über eine einzigartige in dieser Form sonst nicht zugänglichen umfangreiche Spezialbibliothek, die unter anderem für die Quellenarbeit unentbehrliche Bildkommentare, Lehrmittelkataloge, Lehrerhandbücher und Lehrmittelzeitschriften enthält. Diese Textquellen sind notwendige Dokumente zur systematischen Bildforschung, da sie Aufschluss geben über die Funktion des Bildes, die inhaltliche Verwertung im Unterricht, den didaktischen Ort und den didaktisch-methodischen Einsatz. Über die Kombination aus Text- und Bildquellen wird das unterrichtliche Geschehen im Wandel der Zeitgeistströmungen transparent; über die Bildkommentare, bzw. die Handreichungen für den Lehrer lassen sich Lern- und Bildungsziele rekonstruieren und z.B. in ihrer politischen Eingebundenheit erschließen. So geben die Schulwandbilder in Kombination mit den dazugehörigen Begleittexten Auskunft über die zunehmende Professionalisierung des Lehrerberufs, aber auch über politische Indoktrination und Ideologisierung. Die Erfassung der Begleittexte befindet sich noch in der Konzeptionsphase. Geplant sind folgende Arbeitsschritte:
Forschungsstelle Historische Bildmedien
Campus Hubland Nord
Oswald-Külpe-Weg 86
D-97074 Würzburg
Tel.: 0931 31 89672
== Technische Partner ==
Am Hubland
Telefon: 0931/31-80534
Arbeitsgruppe Data Mining und Information Retrieval