Verhältnis des substantivierten und des entsprechenden Verbalsubstantivs

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Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 260 - 261
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Unsicherheit
Text

Überhaupt wirkt ein vorhandenes wirkliches Hauptwort gewöhnlich besser als eine in derselben Bedeutung gebrauchte Nennform. Andresens Beispielen aus rheinischen Blättern: Der zum Einweihen (statt zur Einweihung) anwesende Bischof, das Ausbrechen (statt der Ausbruch) einer Ministerkrisis, mit dem Empfinden (statt mit der Empfindung) des tiefsten Mitgefühls, reihen sich gerade hierfür zahlreiche aus anderen Zeitungen an: Ein weiteres Ausdehnen (statt Ausdehnung) der Landschaft und eine Vermehrung der Wohnsitze ist ausgeschlossen (Tgl. R.). Die Pianistin hatte die Herrschaft über ihr Können, das (sehr beliebt statt ihre Fertigkeit, die) ... gerühmt wird, vollständig verloren, und aus einem Berichte, in dem das elende Aussehen dreier Fabrikarbeiterinnen geschildert werden soll: ihr Erscheinen (statt ihre Erscheinung) erregte die tiefsten Gefühle des Mitleides. Die Tgl. R. bot auch: Die neue Regierung hätte an das Aufgeben von Witu und Sansibar denken sollen (statt die Aufgabe oder besser: daran, ... aufzugeben) und gar: das strafbare Benützen (statt Benutzung) eines Irrtums, das begriffsnotwendige Ausnutzen (Ausnutzung) des Vorteils, und: die Maifeier soll ein schreckenerregendes Vorführen (statt Vorführung) der Macht des verbündeten Proletariats sein. Noch schlimmer ist es freilich, wenn der Verlockung zu dieser Bequemlichkeit auch hervorragende Meister nachgeben und damit ein Recht schaffen, sich auf sie zu berufen; so G. Keller, indem er schreibt: durch das Verstaatlichen aller möglichen Dinge, Scheffel: des Belagertseins (statt der Einschließung) unlustig werden, Jensen: mit dem Wechseln (Wechsel) des Rheinflußbettes, und Koser gar: Friedrich trank auf das Aufnehmen der Stadt Breslau (statt: auf seine Aufnahme in der oder durch die Stadt Breslau). Daß der Brauch in Bekanntmachungen und anderen mit den Kanzleien irgendwie zusammenhängenden Schriftstücken vorkommt, ist dann wahrlich kein Wunder; so in den Wendungen: ihr Ausscheiden* (statt ihr Austritt) ist richtig in der Liste vermerkt, sie war hieran ohne ihr Verschulden* (statt ihre Schuld) verhindert; mit dem Bemerken (statt Hinweise), mit dem Hinzufügen u. ä.

Indes verhältnismäßig sind die besprochenen Fälle noch nicht so schlimm; und bei einigen, den mit Sternchen versehenen, dürfte man an dem Rechte, sie zu tadeln, vielleicht zweifeln. Auch wird man einem beschaulichen Gemüte in der Art P. Richters ebensogut entsprechend finden, wenn es das Aufgehen der Sonne, als wenn ein andrer den Aufgang der Sonne betrachtet; ebenso kann es nicht tadelhaft sein, wenn die Köln. Ztg. in einem $Seite 261$ Berichte geschieden hat zwischen der Bestimmung: nach Einbruch der Dunkelheit, der in dieser Form etwas Bestimmtes, Abgeschlossenes ist, und der andern: mit dem Hereinbrechen der Dunkelheit, welche Form so gut wie die auch nicht seltene: mit hereinbrechender Dunkelheit das allmähliche Dunkelwerden bezeichnet.


Zweifelsfall

Wortbildung: Substantivierungen

Beispiel
Bezugsinstanz Behördensprache, Zeitungssprache, Keller - Gottfried, Schreiber guten Stils, Jensen - Wilhelm, Köln, Koser - Reinhold, Richter - Johann (Jean) Paul Friedrich, Rhein, Scheffel - Joseph Victor von
Bewertung

Bequemlichkeit, besser, dürfte man an dem Rechte, sie zu tadeln, vielleicht zweifeln, einem beschaulichen Gemüte ebensogut entsprechend, Frequenz/nicht seltene, Frequenz/sehr beliebt, kann nicht tadelhaft sein, Noch schlimmer, verhältnismäßig noch nicht so schlimm, wirkt gewöhnlich besser

Intertextueller Bezug Andresen